Akteneinsicht Hambach-Polizeieinsatz - Aktennotiz bekräftigt den Oppositions-Vorwurf

Düsseldorf · Es ist ein bizarrer Pressetermin: Die Einsicht der Behördenpapiere über die Vorbereitung und die rechtliche Rechtfertigung des Polizeieinsatzes im Hambacher Forst. Eine Aktennotiz ist besonders brisant.

Akten aller mit der Räumung des Hambacher Forstes befassten Ressorts stehen in einem Raum des NRW-Bauministeriums.

Foto: dpa/Marius Becker

Es ist wohl auch ein bisschen Glücksache, bei diesem bizarren Pressetermin am Donnerstagnachmittag um 17 Uhr auf die Schnelle auf eine politisch relevante Aktennotiz zu stoßen. Es ist der Termin für eine Akteneinsicht durch die Medien zur Räumung des Hambacher Forsts. Versprochen ist von den Verantwortlichen Transparenz. Schließlich gibt es Zweifel, ob die Landesregierung integer gehandelt und nicht etwa dem Energiekonzern RWE allzu willig das Feld bereitet hat für eine am Ende unterbliebene Rodung und einen späteren Braunkohleabbau.

In einem der 25 Aktenordner, ziemlich am Anfang, findet sie sich,diese Notiz, die politisch durchaus relevant ist: Da formuliert eine Referatsleiterin des Innenministeriums in einem Vermerk vom 9. Juli 2018 an die beauftragte Anwaltskanzlei die „Zielbeschreibung“ für das von den Anwälten zu erstellende Gutachten, das den Polizeieinsatz juristisch rechtfertigen soll: „Am 1. Oktober beginnt die neue Rodungsphase ...RWE ist es ohne namentliche Benennung der Grundstücksbesetzer nicht möglich, auf zivilrechtlichem Wege das Eigentumsrecht durchzusetzen....Ziel soll es sein, die Zuständigkeiten der einzelnen Behörden abschließend zu bewerten, um im zweiten Schritt einen Weg aufzuzeichnen, wie mit Unterstützung der Polizei rechtzeitig vor Rodungsbeginn die Räumung durchgesetzt werden kann.“ Das klingt dann doch ganz nach einer Bestätigung des Vorwurfs der Opposition, die Landesregierung habe nur nach einer juristischen Begründung gesucht, um RWE zu helfen und sie mit dem Thema Brandschutz dann auch gefunden.

Die Anwaltskanzlei sollte dann, so heißt es in einem weiteren Schreiben vom 10. August, mit der gutachterlichen Leistung bis zu einem Auftragswert von 8181,25 Euro beauftragt werden. Die Rechnung der Kanzlei vom 8. Oktober liegt schließlich bei 32.582,32 Euro.

Um den Termin der Akteneinsicht hatte es eine heftige politische Auseinandersetzung gegeben. Und zwar deshalb, weil die Journalisten, so der Vorwurf der Opposition, durch die schwarz-gelbe Landesregierung noch vor den Landtagsabgeordneten informiert werden sollten. Informiert darüber, wie das damals gelaufen ist bei der Vorbereitung des Polizei-Großeinsatzes im Hambacher Wald und der Suche nach einer juristischen Grundlage für eben diesen Einsatz. Nach ihrem Protest (SPD: „eklatante Missachtung des Parlaments“) durften die Politiker nun immerhin zeitgleich mit den Journalisten in den Akten blättern.

Und so brüten am Donnerstagachmittag im Innenministerium die Abgeordneten über den rund 25 Aktenordnern. Und 500 Meter Luftlinie weiter, im Bauministerium, sind zwölf Journalisten der Landespressekonferenz zu diesem ungewöhnlichen Termin erschienen. In einem Saal mit hohen holzvertäfelten Wänden sitzen sie nun an quadratischen Tischen und blättern in den Aktenordnern.

Vorn im Saal sitzen Ministeriumsmitarbeiter und passen auf. So wie bei einer Klausur in der Universität. Nur, dass es hier nicht darum geht, einen Studenten vom Schummeln abzuhalten. Es soll verhindert werden, dass jemand mit dem Handy Fotos macht und vertrauliche Behördenschreiben dann im Internet landen. Weiterer Unterschied zur Uni-Klausur: es gibt Kaffee, Kekse und lauwarme Suppe.

Eine Erkenntnis der Auswertung: Nicht nur Polizisten mussten rund um den Einsatz im Hambacher Forst Überstunden schieben. Auch Ministeriumsmitarbeiter waren wochenlang im Dauereinsatz, tauschten Mails, Aktenvermerke, Verfügungen und vertrauliche Schreiben aus, die nun die Aktenordner füllen.

Großen Raum nehmen in den Akten Fotos der Baumhäuser mit klangvollen Namen wie Lollipop oder Deathtrap (Todesfalle) und ihrer Beschreibung ein. Genau ist da etwa festgehalten: eine von der Polizei für das Objekt vergebene Zahl (Beispiel: Objekt 7a1), die exakten GPS-Daten und eine Beschreibung wie diese: „Zweieinhalbgeschossiges Baumhaus mit ausgelagerter Plattform. Auf dem Boden befinden sich Regentonnen, Platten und Hölzer. Besonderheit: Solarstromversorgung.“