Autobahnbaustelle auf dem A46-Mittelstreifen Bauarbeiter zwischen Blechlawinen
Hilden · Im Kreuz Hilden auf der A46 haben die Arbeiter drei Spuren Verkehr auf jeder Seite der Baustelle. Zum ständigen Lärm kommt jetzt Rekordhitze.
Baggerfahrer Torsten Hofmann nimmt die Brille ab und wischt sich mit dem Handrücken Schweiß von den Lidern. Früher Vormittag und schon eine Bullenhitze in der Asphaltpfanne des Autobahnkreuzes Hilden. Sein Kollege kaut sich mit dem dröhnenden Asphaltschneider durch den Fahrbahnrand, Hofmann bereitet derweil alles vor, um später die Spundbohlen für die Baugrube in den Boden zu rammen. Dabei ist ihm aufgefallen, dass der Arm seines Baggers zu kurz ist. Oder die Bohlen zu lang. Auf jeden Fall wird es so nicht gehen. Und um 15 Uhr muss die gesperrte linke Spur der A46 Richtung Düsseldorf wieder offen sein. Ein Spiel gegen die Zeit. Heute auch gegen den Sommer.
Im Kreuz Hilden entsteht eine ganz neue Brücke auf die A3. Der einzige Pfeiler soll auf dem Mittelstreifen der A46 stehen. An seinem Fundament arbeitet die Truppe der Firma Amand jetzt – auf wenigen Metern zwischen auf sechs Spuren rauschendem Verkehr. Bei rund 250 000 Autos, die das Kreuz täglich passieren, kann man nicht einfach sperren. „Viel fällt in Wochenend- und Nachteinsätze“, erklärt Bauleiter Benedikt Remke. Ausgerechnet an diesem Mittwoch müssen sie tagsüber ran. Zwischen 9 und 15 Uhr darf eine Fahrspur gesperrt werden, damit Torsten Hofmanns Bagger überhaupt rangieren kann, „dann muss die Bahn wieder frei sein“, sagt Remke. Ausgerechnet in der Mittagshitze wird es für die Arbeiter, die von 7 bis 18 Uhr im Einsatz sind, also keinen Spielraum für eine Pause geben.
Arbeiter werden angepöbelt, beschimpft und angehupt
Und Torsten Hofmann trinkt kaum. „Sonst schwitze ich ja noch mehr!“, lacht er. Der 58-Jährige ist seit fast vier Jahrzehnten auf dem Bau. Die Hitze, sagt er, sei nicht das Anstrengendste. Es ist der dichte und nahe Verkehr. „Die Lkw überholen hier, obwohl sie es nicht dürfen, Autos fahren zu schnell“, schildert er. „Du darfst nicht eine Sekunde schlafen. Bei 80 bis 90 km/h reicht ein Streifschuss mit dem Spiegel ...“ Er bricht ab. Trotz aller Vorsicht kann er auf dem engen Fahrstreifen nicht verhindern, dass das Heck seines Baggers beim Schwenken in die Fahrbahn ragt. Wütendes Hupen begleitet seinen Vormittag. Für ihn und die Kollegen gehört das zur gewohnten Geräuschkulisse des Arbeitsalltags. Es werde „gehupt, angepöbelt, beschimpft, Stinkefinger gezeigt“, zählt Bauleiter Remke auf. Er zuckt die Achseln: „Ich kenn’ die Leute ja nicht. Was soll mich das ärgern?“
Aber nicht nur auf der Baustelle inmitten des Pendlerverkehrs quer durch die Region müssen die Arbeiter wachsam sein: Auf dem Weg vom Baubüro am Rand des Kleeblatts aus Straßenschlaufen zu ihren Einsatzorten gehen sie immer neue Routen und queren Zubringer, auf denen gedrängelt und geschnitten wird. Polier Harry Drenth kreuzt eine Fahrbahn, auf der sich der Fahrer einer schwarzen Limousine gerade fürchterlich über eine andere schwarze Limousine ärgert und über mehrere hundert Meter auf die Hupe drückt. Dann hangelt sich der Niederländer neben der Leitplanke auf einem nicht einmal 20 Zentimeter breiten Trampfelpfad entlang, neben sich auf der einen Seite eine mehrere Meter tief abfallende Böschung, auf der anderen vorbeiziehende Lkw, die ihm jedesmal einen Schwall heiße, staubige Luft ins Gesicht pfeffern.
Am Ende des Pfades führt eine schmale Holzbrücke über die A46, in der Mitte eine wackelnde Metalltreppe hinunter auf den Mittelstreifen und zu Torsten Hofmann. Drenth hat unter den Schweißern, die auf der anderen Fahrbahnseite gerade die bisherige Brücke abstützen, einen gefunden, der eingewilligt hat, die Spundbohlen ein Stück abzuschneiden, damit es mit dem Baggerarm passt – obwohl sein Käppi schon von einem dunklen feuchten Rand getränkt ist. „Es ist das erste Mal, dass es hier ein bisschen klemmt“, sagt Hofmann. Problem: An dieser Kleinigkeit hängt der Fortschritt des Brückenbaus. Der Teufel beim Autobahnbau steckt im Detail. Und die Zeit rückt beharrlich vor gen Ende der Fahrspursperrung.
Baggerfahrer Hofmann macht den Job gern. „Es ist nicht das Schlechteste, wenn man nicht wetterempfindlich ist.“ Im Sommer beneideten ihn Bekannte regelrecht, weil er immer draußen sei. „Ja, aber im Winter auch“, wirft Hofmann dann ein. Oder eben an Tagen wie diesem Mittwoch. Oder nachts. Ob es da wenigstens ruhiger sei? „Von wegen!“, sagt Hofmann. „Diese Autobahn schläft nie.“ Aber im Büro, das wäre gar nichts für ihn.
Kurz darauf entscheidet Bauleiter Remke: Bis 15 Uhr ist die Spundwand nicht zu schaffen, sie muss bis in die kommende Woche warten. Torsten Hofmann kommt trotzdem nicht früher unter die Dusche und zu seinem kühlen Bier in den Garten. „Ist ja genug anderes zu tun“, sagt Remke. „Stillstand gibt es hier nicht.“ Bis zur „schlechten Jahreszeit“ will er die neue Brücke stehen und versiegelt haben. „Sonst müssen wir mit Zelten arbeiten.“ Das Spiel gegen die Zeit geht weiter.