Geschichte 1700 Jahre jüdisches Leben in Köln
Köln · Ein Dekret Kaiser Konstantins aus dem Jahr 321 ist die überragende Quelle, in der sich das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ begründet. Im Dezember 321 erließ Konstantin ein im ganzen Reich gültiges Gesetz, das die Berufung von Juden in Ämter und Kurie erlaubte.
Die Abschrift richtet sich an die Mitglieder des Stadtrates der Colonia Claudia Ara Agrippinensium, wie Köln in römischer Zeit hieß. Dieses Dekret ist die früheste Urkunde zur Existenz von Juden in den nördlichen Provinzen des Reiches und damit im heutigen deutschsprachigen Raum.
Erhalten geblieben ist dieses zentrale Dokument als Abschrift aus dem 6. Jahrhundert in der ältesten erhaltenen Fassung in der Gesetzessammlung des Codex Theodosianus, die heute in den Vatikanischen Bibliotheken in Rom aufbewahrt ist. Zu sehen ist sie als seltene Leihgabe aktuell im Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln. Zusammen mit dem Amsterdamer Machsor und der Mischne Tora Kaufmann ist sie ein Herzstück der Sonderausstellung „In die Weite – Aspekte jüdischen Lebens in Deutschland“, die noch bis zum 15. August 2022 in Köln zu sehen ist. Das Dekret Kaiser Konstantins ist noch bis zum 18. Oktober Teil dieser Schau, die gemeinsam vom Kolumba und dem MiQua konzipiert worden ist. Die Eröffnung des LVR-Jüdischen Museums im Archäologischen Quartier ist für das Jahr 2024 geplant.
Hochrangige Kunstartefakte und banale Gebrauchsgegenstände
Zu sehen sind in der Ausstellung insgesamt 100 internationale Leihgaben. Dazu gehören künstlerisch hochrangige Artefakte genauso wie scheinbar banale Gebrauchsgegenstände. Mit den Exponaten wird facettenreich über jüdisches Leben in der Vergangenheit und der Gegenwart berichtet. Dazu gesellen sich in einem Dialog Kunstwerke aus der Kolumba-Sammlung, welche die angesprochenen Themen um eine existentielle und emotionale Erfahrung bereichern.
In einem besonderen Raum wird mit der vollständig erhaltenen Genisa der ehemaligen Synagoge aus Niederzissen, einer der eindrücklichsten Funde jüdischer Kultur in Deutschland präsentiert. Direkt im Eingangsbereich findet sich der Abguss des Triumphzuges aus dem Titusbogen in Rom, bei dem der Siegeszug der Römer mit Kultgeräten aus dem Tempel in Jerusalem zu sehen ist. Mit der Ausstellung wollen deren Macher nicht die jüdische Geschichte in Deutschland komplett abbilden, sondern vielmehr einen Bogen über 1700 Jahre spannen und mit besonderen Aspekte Zugänge zur Vergangenheit und Gegenwart eines vielfältigen jüdischen Lebens eröffnen.
Besondere Eindrücke dieses Lebens gibt auch ein gerade im Kölner Wienand-Verlag erschienenes Buch, das sich nicht als Katalog zur Ausstellung, sondern als ideale Ergänzung dazu versteht. Vieles im Buch hat Kölner Bezüge. „1700 Jahre jüdisches Leben und Kultur gehört in hohem Maße zur Stadt, die sich in der Vergangenheit nicht besser gezeigt hat als viele andere. Um so mehr sind wir in Köln zur Auseinandersetzung mit dem, was Judentum ist, verpflichtet. Dieses hat unser kulturelles Leben in einem hohen Maße bereichert. Unser Buch bietet die Möglichkeit, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen“, sagt Verleger Michael Wienand.
„Im Buch versuchen wir, die Vielfalt und den Reichtum, aber auch Konflikte sowie Eigenständigkeit und Integration, Orthodoxie und Moderne des Judentums darzustellen. Das Buch versteht sich als eine wissenschaftlich fundierte, aber leicht lesbare Einführung dazu. Uns es ging uns auch darum, ein schönes Buch zu machen, das für die Schönheit des Judentums steht“, sagt Jürgen Wilhelm, der das Buch zusammen mit dem MiQua-Leiter Thomas Otten herausgegeben hat. Dort finden sich neben kurzen und informativen Texten auch zahlreiche Abbildungen, um die einzelnen Aspekte zu illustrieren.
Im Buch wird wie in der Ausstellung der Bogen von der Antike über das Mittelalter bis zur Gegenwart geschlagen. Dazu gehören Expertenbeiträge wie der von Werner Eck zum Thema „Juden im römischen Köln“ oder von Matthias Schmandt zum „Jüdischen Leben im Mittelalter“. Einzelne Kapitel geben Einblicke in die Stationen jüdischen Lebens, in das jüdische Haus oder in die jüdischen Feiertage. In ihrem Beitrag thematisieren Klaus Hardering und Rolf Lauer kritisch Bilder von Juden im Kölner Dom. Den Blick auf die Gegenwart jüdischen Lebens in Deutschland richtet die 1987 geborene Marina Weisband im Gespräch mit dem Journalisten Frank Olbert. „Wir verstehen unser Buch als Appetithappen, um das Interesse für das Judentum beim Leser zu wecken“, erklärt Otten.