2025: Buchhändlerin Ute Hentschel glaubt an das Buch
Die Buchhändlerin Ute Hentschel über das Buch als gesamtes Kunstwerk, Urheberrechte und Literaturtrends.
Burscheid. Ute Hentschel (45) führt seit 2005 die Buchhandlung an der Hauptstraße. Die Buchhändlerin und Grünen-Politikerin sitzt unter anderem in der Jury des Deutschen Jugendliteraturpreises.
Frau Hentschel, gibt es 2025 Ihre Buchhandlung noch?
Henstchel: Natürlich kann ich keine Wetten darauf abschließen, dass die Buchhandlung. in zehn Jahren noch existiert (lacht). Aber ich habe festgestellt, dass sich zwei Tendenzen im Konsumverhalten der Menschen entwickeln.
Was sind das für Tendenzen?
Hentschel: Einerseits kaufen viele Menschen alles im Netz, andererseits gibt es Kunden, die bewusst einkaufen. Unter dem Motto „buy local“ unterstützen sie kleine Läden vor Ort. Konsumenten haben ja eine große Macht.
Ist das eine Chance für Sie?
Hentschel: Wir bieten etwa „einschließen und genießen“ an. Einzelpersonen oder kleine Gruppen können nach Ladenschluss ganz ungestört stöbern, etwas essen und trinken. Bücher einkaufen ist etwas Sinnliches.
Wird es denn 2025 das Buch zum Anfassen noch geben? Oder nur noch als E-Book?
Hentschel: Bücher werden oft verschenkt, wie soll man denn ein E-Book verschenken? (lacht). Im Ernst: Wenn die Geräte billiger werden, kaufen sich auch sicher mehr Leute einen E-Book-Reader. Aber es wird das Buch nicht ersetzen, genauso wenig wie das Fernsehen das Radio oder der Computer den Fernseher ersetzt hat. Es kommen stets neue Kommunikationsmedien dazu, die nebeneinander existieren.
Was halten Sie von E-Books?
Hentschel: Bildbände, Reiseliteratur oder Kochbücher, will man weiter im Regal stehen haben. Ein Buch ist ja auch ein Kunstwerk — der Einband, die Illustrationen, das Papier, die Typographie. Aber wer im Jahr 100 Krimis liest, der kann die sicher auch als E-Book lesen. Es kommt immer auf die jeweilige Situation an.
In welcher Situation geht ein E-Book denn gar nicht?
Hentschel: Sonntags beim Frühstück will ich die Zeitung in Papierform lesen. Menschen, die viel unterwegs sind, lesen aber etwa im Zug die Nachrichten digital. Da ist praktisch. Nur in die Badewanne würde ich ein E-Book nicht unbedingt mitnehmen. (lacht). Generell ist das Buch aber wirklich unschlagbar.
Inwiefern?
Hentschel: Ein Buch kann man jederzeit lesen, anders als beim E-Book ist man nicht auf Technik, die immer versagen kann, oder den Akku angewiesen. Man kann Bücher weitergeben. Aber ich verschließe mich dem E-Book auch nicht.
Sie bieten in Ihrer Buchhandlung aber noch keine an.
Hentschel: Wir überlegen, ob wir über unsere Homepage Literatur zum Download anbieten, aber zurzeit verdient man damit einfach noch nichts, auch Amazon nicht.
Wie lange dauert es, bis sich das E-Book besser etabliert?
Hentschel: Ein großes Problem sehe ich darin, dass es für die diversen Reader unterschiedliche E-Book-Formate gibt. In den nächsten zwei bis drei Jahren wird sich der Markt aber sicher bereinigen: Ein Format wird sich durchsetzen. Dann kann man überlegen, E-Books ins Angebot aufzunehmen.
Wird es auch eine Entwicklung in der Literatur, abgesehen von der Technik, geben?
Hentschel: Die Literatur wird Bestand haben. Es liegt in der Natur des Menschen, dass wir Geschichten hören wollen.
Bleiben auch die Themen die gleichen?
Hentschel: Es gibt die zwei großen Themen, die seit jeher die Literatur bestimmen: Liebe und Tod. Hinzu kommen Trends, wie die mit Harry Potter losgetretene Fantasy-Welle. Nachdem es Zauberer, Elfen und aktuell Vampire und Werwölfe gab, ebbt dieser Trend aber gerade ab. Insbesondere die Jugendliteratur wird wieder realistischer. Bei Erwachsenen ist gerade die Auseinandersetzung mit der DDR-Zeit angesagt. Sehr zu empfehlen ist Eugen Ruges „In Zeiten des abnehmenden Lichts“. Das wird auch 2025 zum Kanon gehören.
Sie machen sich also um die Literatur keine Sorgen?
Hentschel: Ich sehe eine Gefahr in der aktuellen Urheberrechtsdiskussion. Die Forderung, etwa von den Piraten, alles umsonst haben zu wollen: Musik, Kinofilme und Bücher gratis aus dem Netz. Aber die Künstler brauchen auch Geld. Ein gutes Buch zu machen, ist ein hartes Stück Arbeit. Ich habe nichts dagegen, dass jeder einen Blog verfassen kann. Aber mit Literatur hat das nichts zu tun. Nur in sehr wenigen Einzelfällen haben es Autoren aus dem Netz später zu Bestsellern gebracht. Deshalb ist es mir wichtig, für das Thema Urheberrecht zu sensibilisieren. Es muss geschützt werden, sonst erleben wir einen Niedergang der Kunst und Kultur.