Aus Moldawien über Mannheim nach Burscheid

Nadejda Cojocaru (27) arbeitet als Apothekerin in Burscheid. Schon als 19-Jährige musste sie ihre Heimat verlassen, um studieren zu können. Mit dem Abschluss in der Tasche musste sie dann erneut aufbrechen.

Foto: D. Siewert

Burscheid.Flexibilität bei der Suche nach einem Arbeitsplatz wird heute gerne von jungen Menschen verlangt — wenn sie ihren Traumberuf beanspruchen möchten. Zumindest müssen sie den Blick über den Kreis hinauswerfen.

Nadejda Cojocaru kann darüber nur schmunzeln. Die 27-Jährige musste schon mit 19 Jahren ihr Heimatland Moldawien verlassen, um das oder etwas Ähnliches studieren zu können, was sie zuerst ins Auge gefasst hatte: Medizin. „Wenn du keine Bekannten dort in diesem Bereich hast, ist es schwierig“, sagt die junge Frau, die jetzt in einer Wohnung an der Hauptstraße lebt. Per Internet suchte sie und fand eine Alternative im benachbarten Rumänien: Pharmazie. „Ich bereue das nicht. Pharmazie ist schöner. Aber es war auch sehr schwierig.“

Von der Hauptstadt Kischinjow in ihrem Heimat ins rumänische Galati sind es zwar „nur“ etwa 250 Kilometer — mit 19 Jahren ist das allerdings kein Katzensprung. „Das war schon schwierig. Ich hatte dort überhaupt keine Freunde.“ Einen Vorteil allerdings hatte sie. „Wir sprechen die selbe Sprache.“

Wenige Jahre später sollte sie allerdings einen Sprung machen müssen, der sie deutlich weiter weg von zu Hause führte als in der Studienzeit. Und dort konnte sie die Sprache überhaupt nicht. Ebenfalls per Internet suchte sie nach einem für das Studium verpflichtenden Platz für ein Praktikum. Und fand ihn in Mannheim. „Ich konnte kein Wort Deutsch.“ In der Fremde flossen die Tränen, doch der Ehrgeiz auf eine berufliche Zukunft ließ Kräfte entstehen: In den folgenden acht Monaten lernte sie die Sprache. Und ein Laptop, den sie von einem Cousin schon zum Start des Studiums geschenkt bekommen hatte, half dabei, die familiäre Nähe zumindest visuell herzustellen. Via Skype sah sie ihre Eltern regelmäßig.

Und dann gab es einen merkwürdigen Zufall: Als sie nach dem Praktikum mit abgeschlossenem Pharmaziestudium in ihre Heimatstadt Kischinjow zurückgekehrt war, meldete sich eine schon aus Deutschland frequentierte Vermittlerin von freien Arbeitsplätzen als Apothekerin. Aus Burscheid wurde eine Stelle gemeldet von einer Frau, die gekündigt hatte, um ausgerechnet in Mannheim anzufangen.

Das war im November 2016. Am 19. Januar stieg Nadejda Cojocaru in ein Flugzeug nach Frankfurt, um noch am selben Tag ein Bewerbungsgespräch mit dem Burscheider Apotheker Andreas Winterfeld zu führen — erfolgreich, wie man spätestens heute ihrem mittlerweile unbefristeten Vertrag als „Springerin“ in den Apotheken Winterfelds entnehmen kann. Mal berät sie Kunden in der Adler-, mal in der Montanus-Apotheke, mal aber auch in Hilgen oder Wermelskirchen. Zumeist hilft sie aus, wenn in den Filialen eine Kraft Urlaub macht.

Und die ersten Eindrücke des 19. Januar 2017 sind längst positiven gewichen. „Ich dachte damals, als ich hier ankam: Es ist alles sehr ruhig hier — und grau.“ Allerdings machte sie schon bald Burscheid als ihre Heimat aus. „Ich liebe es, in einer Kleinstadt zu wohnen. Wenn ich abends von Ausflügen aus Köln oder Düsseldorf zurückkehre, sage ich, ich fahre nach Hause.“

Und umgekehrt hat sie offenbar auch schon so mancher Kunde ins Herz geschlossen. „Einen Frau sagt immer, dass sie nur zu mir möchte.“ Ihre Eltern waren ebenfalls schon in Burscheid und schwärmten von Burscheid. „Sie haben gesagt, es ist so schön grün und sauber hier.“ Letzteres findet auch die 27-Jährige besonders wichtig. „Wenn ich hier mit dunklen Schuhen über die Straßen gehe, muss ich sie tagelang nicht putzen. Ich Moldawien muss ich sie schon nach einem Tag waschen.“

Was sie aber vermisst, sind Nahrungsmittel aus ihrem Heimatland. „Das Obst und Gemüse schmeckt nicht so wie in Moldawien.“ Und auch einen trendigen Treff für junge Leute sucht sie. Deshalb hat sie nun den Führerschein gemacht und schaut sich gerade nach einem Auto um.