Behinderten-Sport: „Warum hast du kurze Arme?“
Der contergan-geschädigte Sportler Josef Giesen stellt sich den Fragen der Montanusschüler.
Burscheid. Große Aufregung herrscht in der Aula der Montanusschule. Ein Spitzensportler ist zu Gast, und zwar ein ganz besonderer: Biathlet Josef Giesen. Der 45-Jährige ist contergan-geschädigt und hat zwei verkürzte Arme mit insgesamt drei Fingern. Trotzdem schießt sich der Wintersportler bei großen Wettkämpfen immer wieder aufs Treppchen.
"Warum hast du so kurze Arme?", lautet daher auch gleich die erste Frage der Schüler. Mit viel Ruhe erklärt Giesen, dass seine Mutter das schädigende Beruhigungsmittel während ihrer Schwangerschaft verschrieben bekommen hat.
Direktor Friedhelm Julius Beucher hat Giesen eingeladen, damit die Kinder sich vom Behindertensport ein Bild machen können. Er ist begeistert von der Aktion: "Kinder haben keine Scheu vor Behinderungen, sie gehen ganz locker damit um. Sie sehen nur den Menschen."
In der Tat. Mit entwaffnender Offenheit lassen die Kleinen ihrer Neugier freien Lauf. "Ist es schwer ohne Arme?", "Wie findest du das ohne Arme?" und "Wie kannst Du denn damit schießen?", werfen die Kinder ihm die Fragen an den Kopf.
Gelassen beantwortet Giesen jede einzelne. "Ich habe noch Glück gehabt, es gibt Menschen, die haben weder Arme noch Beine. Ich bin dagegen sehr selbstständig", erklärt er und bringt die Schüler ins Staunen, als er erzählt, dass er dank einer Spezialanfertigung sogar Auto fahren kann. "Ich bin so geboren und mache jetzt das Beste daraus."
Wie genau, das zeigt er in der Sporthalle. Dort ist ein provisorischer Schießstand aufgebaut. Der Biathlet legt sich auf den Boden und zielt mit seinem Gewehr - und mit Hilfe seines Kinns - auf ein 1,5 Zentimeter großes Feld in zehn Metern Entfernung. Weil seine Arme nicht so weit reichen, zieht er an einer Kordel, die den Abzug auslöst, und trifft buchstäblich ins Schwarze - unter lautem Jubel der Kinder.