Vinterberg „Bei Festivals werden Filme endlich wieder gefeiert“

Köln · „Alkohol ist dein Sanitäter in der Not“, sang schon Herbert Grönemeyer. Dieses grundlegende Wissen teilen auch die vier frustrierten Lehrer in Thomas Vinterbergs neuem Film „Another Round“, der unter dem Titel „Der Rausch“ Anfang kommenden Jahres in die deutschen Kinos kommt.

Regisseur Thomas Vinterberg hat seinen neuen Film in Köln vorgestellt.

Foto: picture alliance / dpa/Britta Pedersen

Vorab gezeigt wurde die Sozialsatire bereits in dieser Woche beim Film Festival Cologne, das gestern mit der großen Preisverleihung im Palladium zu Ende gegangen ist.

Mit dem Alkohol wollen es die vier in die Jahre gekommenen Pädagogen wieder schaffen, motiviert vor ihre Schüler zu treten. Als Pegeltrinker in einem selbst entworfenen „wissenschaftlichen Experiment“ sehen sie sich als eine Art Avantgarde einer neuen beschwingt-beschwipsten Gesellschaft. Besonders der in der Routine erstarrte Martin blüht durch die Volksdroge plötzlich auf. Gespielt wird er von Mads Mikkelsen (James Bond – Casino Royal), der gestern im Palladium als bester Schauspieler ausgezeichnet worden ist.

„Alkohol ist etwas, das gleichermaßen helfen, aber auch zerstören kann. Alkohol kann befreien, aber auch töten. Er zerstört Familien und auch eine ganze Gesellschaft. Es ist faszinierend, wie diese Volksdroge zelebriert wird. Sie kann zu radikalen Entscheidungen führen. Churchill, der zwar nicht rund um die Uhr betrunken war, der dem Alkohol aber durchaus zugesprochen hat, hat als Staatschef radikale Entscheidungen getroffen und man fragt sich, ob er das nüchtern auch so getan hätte“, sagt der dänische Regisseur. Dass Alkohol jetzt in Zeiten der Corona-Krise eine ganz neue Bedeutung erlangen kann, wenn es um die Bewältigung von Ängsten und Sorgen geht, ist er sich durchaus bewusst. „Wir haben den Film zu einer Zeit gedreht, als Corona noch überhaupt kein Thema war. Aber es ist interessant, wie aktuell dieses Thema jetzt geworden ist. Alkohol wirkt auch befreiend und macht Hoffnung in einer Welt, die immer schwieriger wird. Das macht ihn aber auch so gefährlich“, erklärt Vinterberg.

Seine Hauptfigur Martin ist eine spannende wie bewegende Charakterstudie. „Martin ist in einer Phase seines Lebens angekommen, in der ihn die Routine erstarren lässt. Er hat es verlernt, Chancen zu nutzen, geht kein Risiko mehr ein und er interessiert sich für nichts mehr. Das macht ihn ziemlich einsam. Wenn er mit anderen Männern Alkohol trinkt, hat er die Möglichkeit, sich aus dieser Situation zu befreien. Er ist Geschichtslehrer und kennt Persönlichkeiten wie Churchill sehr gut. Im Alltag hat er Angst vor den jungen Leuten, die er unterrichtet. Er sieht in ihnen den Lebenstraum der Jugend, den er bei sich so schmerzlich vermisst“, sagt Vinterberg.

Dass er seinen Film jetzt beim Kölner Festival präsentieren konnte, hat für ihn eine große Bedeutung: „In dieser Krise gehen die Leute nicht mehr ins Kino und sehen sich Filme lieber alleine zu Hause an. Es wird eine Herausforderung, die Menschen nach dem Ende der Krise zurück in die Kinos zu bringen. Hier beim Festival ist es wieder möglich, dass Menschen in einem Raum gemeinsam einen Film erleben. Festivals sind in so einer Zeit extrem wichtig, wichtiger als sie es jemals zuvor waren, weil dort endlich wieder Filme gefeiert werden.“