Deutscher Orchesterwettbewerb Blasmusik nahe dem Wahnsinn
Für Ulm hat der OVH zwei atemberaubende Stücke im Gepäck.
Leichlingen/Burscheid. Drei Tage haben sie intensiv geprobt, dann am Sonntag eine Art Werkstattkonzert in Leichlingen absolviert — und jetzt sieht Dirigent Timor Chadik den Orchesterverein Hilgen (OVH) bei „90 Prozent seiner Leistungsfähigkeit angekommen“. Aufgabe der verbleibenden zwei Wochen bis zum Deutschen Orchesterwettbewerb in Ulm sei es, die restlichen zehn Prozent zu aktivieren.
Vier Proben bleiben noch bis zum Wettbewerbsauftritt am 2. Mai: zwei in Burscheid und zwei in Ulm. Da wird einige Aufmerksamkeit dem bisher etwas vernachlässigten Pflichtstück „Suite voor Harmonieorkest“ von Bob Vos gelten, mit dessen vier Sätzen der OVH sowohl in Leichlingen begann als auch in Ulm starten wird.
Als „eher traditionell“ beschreibt das Orchester das Werk, „nicht so prickelnd“ findet es der Dirigent. Aber auch die Pflicht will erfüllt sein. Und alles, was dann kommt, prickelt umso mehr. Davon konnte man sich schon in Leichlingen ein Bild machen.
Die Auftragskomposition „Mondnah und Herzfremd“ des Komponisten und Klarinettisten Claudio Puntin ist schon ein atemberaubend komprimiertes Wechselbad der Gefühle und Stimmungen, das sich entwickelt und ausbricht aus einem anfänglichen Klang-Magma der Dissonanzen. Um dafür noch neue Klangfarben beizusteuern, haben sich zwei Tubisten des Orchesters jeweils einen Cimbasso zugelegt, eine Art Mischung aus Tuba und Bassposaune.
Mit Florent Schmitts „Dionysiaques“, für Chadik eines der schwersten Werke überhaupt, die in der Literatur für Blasorchester zu finden sind, begibt sich der OVH dann endgültig an den Rand des musikalischen Wahnsinns. Diese Komposition der irrwitzigen Läufe verlangt zudem eine gigantische Besetzung von nahezu 80 Musikern, darunter allein acht Schlagzeuger. Dass der OVH das Werk am Sonntag erstmals als kompletten Durchlauf spielte, mag man kaum glauben. Für Chadik geht es jetzt darum, gerade bei diesem Finale des Wettbewerbsauftritts neben der weiteren Detailarbeit noch am Gesamtbogen zu feilen.
Ansonsten rückt der Dirigent von jeder Titelfixiertheit ab. Ihm gehe es darum, in Ulm „ein tolles Konzert“ zu spielen. Ob am Ende der OVH, der amtierende deutsche Meister aus Wangen oder das Blasorchester Norderstedt die Nase vorn hat, sei „auf dem hohen Level auch eine Frage der Tagesverfassung. Das hat man nicht mehr in der Hand.“