Die Fahrgäste lieben es familiär
Reiner Adams ist ein Fahrer der ersten Stunde. Der BV hat ihn auf seiner Tour begleitet.
Burscheid. Es ist kurz nach 9 Uhr, am Kiosk neben den Bahnhof nippen die Frühaufsteher an ihrem Kaffee und blättern durch die Morgenzeitung. Einer hebt grüßend die Hand, als der Bürgerbus in die Haltebucht rollt. Bürgerbus-Fahrer Reiner Adams bremst ab und öffnet die Türen. Keine Fahrgäste weit und breit. Adams lässt den Motor wieder an, die Tür schließt mit einem leisen Quietschen.
"Schade, so früh ist einfach noch nichts los", sagt Adams und steuert den Bus auf die Friedrich-Goetze-Straße. Der 66-Jährige ist von Anfang an im Bürgerbus-Verein dabei - seit fünf Jahren fährt er die Burscheider ehrenamtlich durch die Stadt. Vorher habe er bei Goetze gearbeitet, dann sei er in den Ruhestand gegangen und habe die Kollegen vermisst. "Ich wollte was tun, und was ich jetzt mache, macht Sinn."
Der Bus schnauft und kämpft mit einer kleinen Steigung. Adams kennt das schon. Immerhin 190.000 Kilometer habe der Bus bereits auf dem Buckel und so seine kleinen Macken. "Das liegt am Kurzstreckenbetrieb. Manchmal zickt der Motor, auch die Kupplung musste ausgetauscht werden."
Adams fährt am liebsten vormittags, da sei am meisten los. Doch auch an der Industriestraße steigen keine Fahrgäste zu und der Fahrer ist enttäuscht. Die Strecke sei auf Bitte der Kunden eingerichtet worden, genutzt aber werde sie kaum. "Das ist dann doch frustrierend."
Der Bus passiert das Hallenbad und die Sportplätze am Schulberg, nächster Halt: Repinghofen. Hier hat der Bürgerbus eine treue Fangemeinde. Tatsächlich wartet dort schon Theresa Ortelt (78). "Ein Heftchen", sagt sie, Adams reicht einen Fahrscheinblock nach hinten und öffnet die kleine Metallkassette, die als Kasse dient, um den Zehner zu verstauen.
"Hier", sagt er und deutet auf seinen Fahrplan, den er mit Magneten an der Kasse befestigt hat. "Das sind unsere Routen." Irgendwo auf dem Zettel steht in Großbuchstaben: "TANKEN!!!"."Das dürfen wir nicht vergessen. Der Bus fährt mit Erdgas und darf nicht leerlaufen."
Adams hat jetzt richtig gute Laune. Er freut sich über den ersten Fahrgast und plaudert ein wenig mit Ortelt, die gerne Bürgerbus fährt - die Stimmung sei so familiär - und deren Nachbarn an der Haltestelle eine Holzbank für die wartenden Fahrgäste aufgestellt haben.
Zurück in der Stadt, steigt Heinrich Spiegel zu. 50 Jahre hat er bei der Post in Burscheid gearbeitet, jetzt ist er nicht mehr gut zu Fuß und fährt mit dem Bürgerbus zurück zum Griesberg. "Ich fahre oft morgens in die Stadt. Am Griesberg kann ich ja noch nicht mal mehr eine Zeitung kaufen", sagt er, als der Bus sich durch die schmale Straße In der Dellen schlängelt.
Ganz schön eng hier, was? "Tja", sagt Spiegel, 83 Jahre alt und seit 63 Jahren auf dem Griesberg heimisch. "Da hat Goetze damals schnell was bauen wollen, darum gibt es auch keine Bürgersteige." Adams lacht und sagt: "Wenn ich hier den Müllwagen vor mir habe, hat der Bus immer Verspätung." In einem der Vorgärten kämpft ein Anwohner mit dem Gartenschlauch. Er winkt und Adams winkt zurück.
Der Bus stoppt an der Haltestelle "Zum Mühlenfeld", hier warten schon die nächsten Fahrgäste. Spiegel steigt aus und Dorothea Schulz (52) mit ihrem Mops als Erste ein. Adams begrüßt den Mops und Nando macht es sich zwischen den Vordersitzen bequem. Eine Fahrkarte muss er nicht lösen.
"Wir fahren mit dem Bus, seit es ihn gibt", sagt Schulz. Um zu beschreiben, was ihr der Bus bedeutet, wählt auch sie das Wort familiär. "Die Fahrer sind einfach nett." Auf den Rücksitzen plaudern Ilse Hanschild (70) und Inge Ilgotter (82) derweil übers Wetter, den kalten Nordostwind. Marianne Bendig erzählt, dass die Bürgerbusfahrer ihr einmal einen Blumenstrauß überreicht hätten: "Ich war damals der 1.000ste Fahrgast und total überrascht."
Die Stimmung ist gut, die Fahrgäste lachen, genau so, wie es Adams liebt: Der Bus ist voll - und alle verstehen sich.