Die hohe Kunst des Ziegelbrennens
Die Arbeiter an den Ziegeleistandorten kamen zum Großteil über den Sommer aus dem Lippischen.
Burscheid. Eine erstaunliche Fußnote der Burscheider Industriegeschichte: Zwar prägte die Burscheider Ziegelei mit ihren zwischenzeitlich bis zu fünf Schloten das Stadtbild über Jahrzehnte, genauer von 1886 bis 1942. Aber die Arbeiter (im Jahr 1916 waren es beispielsweise 119) reisten zum Großteil Jahr für Jahr aus dem Lippischen an.
Auch Grete Klipperts Vater stammt von dort, wurde aber ab 1909 in Burscheid heimisch und brachte es bis zum zerstörerischen Brand von 1942 zum Ziegelmeister. Noch zu Kriegszeiten fand er danach Beschäftigung bei der Firma Goetze, die das Ziegeleigelände umgehend aufkaufte. Dort steht heute das Werk 2.
Die Expedition Heimat des Rheinisch-Bergischen Kreises rückt in Burscheid in diesem Jahr die Ziegelindustrie in den Blickpunkt. Kulturreferentin Susanne Bonenkamp hatte die Aktion am Tag des Denkmals (dieses Jahr am 8. September) 2008 initiiert. Acht Leitmotive wechseln jährlich zwischen den acht Kreiskommunen und setzen so jeweils neue Schwerpunkte.
Das Burscheider Leitmotiv bei der sechsten Auflage heißt „Korallen, Kalk und Kumpel“. Bei der ersten Spurensuche stießen die Initiatoren in der Stadt auf Ratlosigkeit, ehe der Brückenschlag zum Thema Bodenschätze und den örtlichen Tonvorkommen gelang.
Die Ziegelei war ein Saisonbetrieb — und ihre Arbeiter absolute Spezialisten. „Das Ziegelbrennen erforderte ein großes Know-how“, sagt Bonenkamp. „Denn dem Ton mussten Sand oder Basalt beigemischt werden, was neben dem Aussehen auch für die Beschaffenheit und den Einsatz entscheidend war.“
In sogenannten Kampagnen zogen Jahr für Jahr 15- bis 20 000 Ziegelarbeiter aus dem Lippischen von Mai bis November zu den Ziegeleien von Norddeutschland bis ins Rheinland. Ganze Familienclans fanden so den Sommer über Beschäftigung, während Frauen und Kinder zu Hause die meist kleinen Höfe versorgten. „In Speckkisten wurde zum Teil auch der Proviant für die Zeit aus der Heimat mitgebracht“, erzählt die Kulturreferentin.
Während die Ziegelei in Burscheid nach der Übernahme durch Goetze verschwand, verfällt der Standort an der Ortsgrenze zwischen Hilgen und Wermelskirchen weiter vor sich hin. Die erst 1898 entstandene Hilgener Ziegelei und der ältere Burscheider Betrieb waren 1912 zu den Vereinigten Burscheid-Hilgener Ziegel- und Klinker-Werken zusammengeschlossen worden.
Aber Mitte der 1970er Jahre kam dann auch für Hilgen das Aus. Absatzprobleme hatten schon länger zu roten Zahlen geführt. Ziegel aus Burscheid waren gegenüber den neuen und billigeren Baustoffen nicht mehr konkurrenzfähig.