Die vergessene Tierseuche
Noch immer werden Wildschweine geimpft und Jagd auf Frischlinge gemacht — obwohl es keine Neuerkrankungen gibt.
Burscheid. In der öffentlichen Wahrnehmung ist das Thema Schweinepest irgendwann wie auch die anderen Appetitverderber Rinderwahnsinn und Vogelgrippe wieder verschwunden.
Doch in Burscheid erinnern weiter Warnschilder an die Viruserkrankung. Von einem „gefährdeten Bezirk“ ist da die Rede. Was steckt dahinter? Ist die Schweinepest in Burscheid noch immer verbreitet?
Zunächst kann Kreissprecherin Birgit Bär Entwarnung geben: Es habe in letzter Zeit keinen weiteren Nachweis von Schweinepest im Kreis gegeben. Genau genommen ist insgesamt nur ein einziger Fall bekannt.
Am 8. Januar 2009 wurde in Rösrath ein an Schweinepest erkranktes Schwarzwild aufgefunden. Das hatte eine ganze Reihe von Vorsichtsmaßnahmen zur Folge, Warnschilder wurden aufgestellt.
Dass diese bis heute nicht abgenommen wurden, ist kein Versäumnis. Ralf Hasenjäger, Leiter des Burscheider Hegerings, sagt: „Schweinepest ist ein Thema, das nicht zu den Akten zu legen ist.“
Noch immer wird regelmäßig Impfstoff im Wald verteilt und noch immer ist die Abschussquote bei Wildschweinen erhöht. So sollen die hiesigen Jäger 70 Prozent der Frischlinge — das sind Wildschweine im Alter von unter einem Jahr — erlegen, weil bei ihnen die Infektionsgefahr am höchsten ist.
Das sei nötig, weil die Schweinepest jederzeit über die umliegenden Kreise zurückkehren könne, so Hasenjäger, etwa über den Rhein-Sieg-Kreis — ebenfalls ein „gefährdeter Bezirk“. Zudem sei man vor Ort eine wichtige Barriere für den Virus.
„Es ist wichtig, dass sich die Pest nicht weiter bis ins Ostmünsterland ausbreitet“, sagt der Hegeringleiter. Dort könne die Schweinepest erheblichen Schaden anrichten. „Hier gibt es 100 000 Schlachttiere.“
Ende Mai werden das nächste Mal die Impfköder in den Wäldern ausgelegt. Anhand der geschossenen Tiere können die Jäger sagen, dass bereits 50 bis 60 Prozent der Schweine im Kreis geimpft sind. Noch mindestens bis zum Frühjahr 2012 wird sich das Prozedere fortsetzen, eine Mehrbelastung für die Jäger.
Getötet wurden von April 2010 bis März dieses Jahres 784 Wildschweine im Kreis, davon lediglich neun in Burscheid. Die Kadaver werden in Sammelstellen gelagert. In Burscheid kommen die toten Tiere in einen Container auf dem Baubetriebshof. Von hier werden Proben zur Analyse des Staatlichen Veterinäruntersuchungsamt in Krefeld entnommen.
Die Schweinepest ist jedoch nicht der einzige Grund, warum verstärkt Jagd auf Wildschweine gemacht wird. Hasenjäger: „Diese Tiere haben eine sehr hohe Reproduktionsrate, die bei 250 bis 300 Prozent liegt. Eine Bache kriegt bis zu zehn Junge.“