Eine Familie fällt auseinander
CDU: Vorsitzender Michael Baggeler und Beigeordneter Stefan Caplan haben sich als Bewerber für die Bürgermeisterkandidatur vorgestellt. Jetzt entscheiden die Mitglieder. So oder so: Die Partei wird am Ende ihr Gesicht verändern.
Burscheid. Jetzt nur keinen Fehler machen. Nicht zu nervös wirken, nicht zu verkrampft, nicht zu bissig. Lieber auch in höchster Anspannung noch einen Scherz machen. 60 CDU-Mitglieder und eine neugierige Ute Hentschel von den Grünen sind an diesem Abend ins Hotel Schützenburg zur Jahreshauptversammlung gekommen. Aber was interessieren heute die Jahresberichte? Alle warten nur auf den Tagesordnungspunkt 10 a: die Vorstellung der Bewerber für die Bürgermeisterkandidatur. Es sind die bekannten zwei - der Vorsitzende Michael Baggeler und der städtische Beigeordnete Stefan Caplan.
Nachher, als alle Reden gehalten und kaum weitere Fragen gestellt sind, wird Bürgermeister Hans Dieter Kahrl scherzhaft von "zwei meiner drei Söhne" sprechen. Der Dritte und Jüngste im Bunde, der Fraktionsvorsitzende Jörg Baack (33), wird schlagfertig kontern und für sich eher die Enkelrolle beanspruchen.
So hat das seit Jahren funktioniert in der CDU-Familie: Man schätzt sich gegenseitig, weiß um die jeweiligen Stärken und Schwächen, spielt sich die Bälle zu. Auch an diesem Abend kommt niemandem ein schlechtes Wort über den anderen über die Lippen. "Ein exzellenter Verwaltungsfachmann", sagt Baggeler über Caplan. "Michael Baggeler, Jörg Baack und ich haben immer an derselben Seite des Seiles gezogen", sagt Caplan.
In einer Familie, so lehrt uns die Psychologie, ist aber jede Rolle nur einmal zu vergeben. So präsentieren sich die Akteure auch an diesem Abend völlig unterschiedlich: Kahrl als der gütige Vater, schon etwas dem Alltagsgeschäft entrückt; Baack als Mediator, in seinem schneidigen Humor unverkennbar der Reserveoffizier und auf unanfechtbare Korrektheit bedacht; Baggeler als charmanter und erfahrener Redner mit Herz; Caplan als ergebnisorientierter Machertyp. "Mir fehlen die Worte", sagt Baack nach der Vorstellungsrunde. "Wir haben sehr unterschiedliche Reden gehört - so unterschiedlich wie die Bewerber."
Der Parteivorsitzende macht den Anfang. Erinnert daran, dass er schon einmal vor der Frage einer Kandidatur gestanden habe. Wirft seine lange kommunalpolitische Verbundenheit zu Burscheid in die Waagschale. Lehnt sich an Bismarck an: "Politik ist die Kunst, das Unmögliche möglich zu machen." Verweist darauf, dass das Bürgermeisteramt inzwischen ein politisches sei. Und sagt, in ihm schlage "ein Burscheider Herz und ein Herz für Burscheid".
Caplan dagegen streicht seine Verwaltungs- und Leitungskompetenz heraus. Entwirft seine Vision der "Wohlfühlstadt Burscheid". Vertritt energisch die Haltung, angesichts der Finanzknappheit in allen Fragen stets "die beste, aber auch die günstigste Lösung" zu suchen, "um der nachfolgenden Generation nicht die Luft abzuschneiden". Skizziert als sein Credo "Handeln statt reden" und "Halten, was man verspricht".
Und jetzt? Man klatscht Beifall, man geht auseinander - und schon draußen im Foyer, auf den Treppen, vor der Tür werden in Kleingruppen die Bewertungen ausgetauscht. Zu Beginn der Versammlung war mit dem amtierenden Schützenkaiser Antonio Diaz noch das 200. Mitglied begrüßt worden; inzwischen ist die CDU-Familie gar auf 202 angewachsen. Und doch liegt über dem Abend auch die Ahnung, dass am Ende nichts mehr so sein wird wie es einmal war.
Hans Dieter Kahrl geht im kommenden Jahr in den Ruhestand. Setzt sich Baggeler durch, rechnet niemand damit, dass Caplan noch lange Beigeordneter in Burscheid bleiben wird (auch wenn im Frühjahr 2009 zunächst einmal nach acht Jahren seine Wiederwahl ansteht). Und umgekehrt: Welche Rolle innerhalb der Partei wird Baggeler künftig noch bereit sein zu übernehmen, wenn er jetzt nicht kandidieren darf?
Zuletzt: Es ist ein offenes Geheimnis, dass auch Jörg Baack nicht auf Ewigkeit Richter bleiben will. Als neuer Kreisdirektor war er schon gehandelt worden, ohne sich überhaupt beworben zu haben. Aber auf kurz oder lang ist damit zu rechnen, dass auch er ein Amt anstrebt, das womöglich nicht mehr mit der Arbeit des Fraktionsvorsitzenden vereinbar ist.
Klausurtagung Am 12./13.April trifft sich der Ortsvereinsvorstand der SPD zur Klausurtagung in Nümbrecht-Bierenbach. Dort soll der Zeitplan für Kandidatenvorstellung, Wahlkreisbesetzung und Mitgliederversammlungen festgezurrt werden.
Kandidatenfrage Nach wie vor ist Bodo Jakob innerhalb der SPD einer der Bewerber um die Bürgermeisterkandidatur. Ob Megaphon-Leiter Manfred Zenses ebenfalls seinen Hut in den Ring wirft, macht er nach eigener Aussage auch von dem Ausgang der Entscheidung innerhalb der CDU abhängig. Gegen einen möglichen Kandidaten Caplan will er nicht antreten, bei Baggeler werde er "ernsthaft überlegen".
Vorgehen Die endgültige Entscheidung fällt auf der Klausurtagung, aber laut Becker ist jetzt schon sicher, dass es in der Kandidatenfrage nicht analog zur CDU eine Briefbefragung der Mitglieder geben wird. Stattdessen sollen sich die Bewerber auf einer ersten Mitgliederversammlung vorstellen, ehe dann auf einer zweiten Versammlung "relativ zeitnah" die Entscheidung fällt. Beide Versammlungen sollen aber erst nach den Sommerferien angesetzt werden - ungeachtet der wahrscheinlichen Vorverlegung der Kommunalwahl auf den Frühsommer 2009.