Einen trinken, zwei zahlen
Für manche Menschen ist Kaffee trinken Luxus. Andere spendieren ihnen gern einen — wie im Café „Parlor“.
Köln. Einen Kaffee trinken, zwei bezahlen. Das klingt zunächst nach einem schlechten Geschäft. Dahinter steckt aber die Idee des „suspended coffee“ (aufgeschobener Kaffee). Der Kunde bestellt zwei Heißgetränke, bekommt aber nur eins und spendet das zweite. Der „Aufgeschobene“ wird mit einem Sternchen auf einer Tafel notiert. Bestellen kann den Kaffee dann jemand, der sich sonst keinen leisten könnte.
So funktioniert es im Kölner Café „Parlor“. Jeder Stern auf der Tafel an der Theke steht für einen bezahlten Kaffee. 22 sind es an diesem Nachmittag. „Wir haben häufig mehr Spender als Abnehmer“, sagt Café-Inhaberin Anja Winkler. „Viele wollen mitmachen, etwas Gutes tun. Aber die, die sich den Kaffee nicht leisten können, wollen das nicht zugeben, nicht erkannt werden“, berichtet Winkler. „Die Hemmschwelle ist groß.“
Seit mehr als drei Jahren gibt es das Umsonst-Kaffee-Angebot im „Parlor“. Für Anja Winkler geht es dabei weniger um den Kaffee, sondern darum, „die Leute aus ihrem Alltag heraus zu holen“. Das Angebot ist auch nicht auf Kaffee beschränkt, sondern gilt genauso für andere Getränke oder eine Suppe.
Ursprünglich stammt die Idee des „Aufgeschobenen“ aus Neapel. Doch sie verbreitet sich immer weiter. Auf der Internetseite von „Suspended Coffee“ sind 259 teilnehmende Cafés und andere Geschäfte in Deutschland aufgelistet. Rund 80 davon befinden sich in NRW. Die Zahl nimmt zu.
Marco Tausch kannte die Idee des Gratis-Kaffees aus dem Italien-Urlaub und hat sie in seiner 2017 in Düsseldorf eröffneten „Roasted Kaffeebar“ umgesetzt. Wer ein Heißgetränk spendet, bekommt einen Gutschein. „Tu dir was Gutes“ ist darauf zu lesen. „Den Gutschein kann er zum Beispiel einem Obdachlosen vor dem Supermarkt geben“, sagt Tausch. Persönliche Übergabe statt anonymer Spende.
Auf diese persönliche Komponente setzt auch Anja Winkler im „Parlor“. Die 45-Jährige hat inzwischen zusätzlich zu den Sternchen auf den Tafeln ein Bon-System entwickelt: Der Kaffee-Spender bekommt einen Bon, den er einem Bedürftigen aus seinem Umfeld geben kann. Es seien nicht die typischen Obdachlosen, sondern häufig Ältere oder Alleinerziehende. „Wir wickeln die Gratis-Bestellung diskret ab und behandeln sie wie alle anderen Kunden. Sie sollen sich bei uns wohlfühlen“, sagt sie.