Erster Weltkrieg: Begeistert zu den Fahnen geeilt

Die Tagebuchaufzeichnung des Lehrers Ernst Koll gewähren einen Einblick in das Denken und Leben der Burscheider im Kriegsjahr 1914.

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Burscheid. Vor hundert Jahren brach der Erste Weltkrieg aus Wie haben die Burscheider diese Schreckenszeit erfahren? Zeitzeugen gibt es nicht mehr, aber schriftliche Zeugnisse, sei es in Form von Tagebüchern oder Notizen: Allgemeine Betrachtungen, nüchterne Berichte, aber auch persönliche Ansichten und Erlebnisse sind darin festgehalten.

Die letzten Friedenstage 1914 hat der in Dierath geborene und ab 1916 an der Burscheider Bürgerschule unterrichtende Lehrer Dr. Ernst Koll in seinen Tagebuchblättern festgehalten. 1936 wurde der Artikel im Bergischen Heimatkalender veröffentlicht. Die Aufzeichnungen sind geprägt durch Kolls literarischen Stil, lebendig und anschaulich, von herzbewegter Heimatliebe. Er hat viele Gedichte geschrieben und beginnt auch hier mit einem Gedicht. Von „Sommertagen schwül und sehnsuchtsbang“ ist da die Rede und von Tränen, die „heiß in Herzbluttropfen rannen“.

Am Sonntag, 26. Juli 1914, scheint alles noch in friedlicher Ordnung, aber zwei Tage später fallen schon Schatten auf die sommerliche Heiterkeit: „Plötzlich erklang von irgendeinem Tische her das Deutschlandlied. Ein feierlicher Ernst dämpfte mit einem Male die Ausgelassenheit: An der serbischen Grenze begann heute der Krieg.“

Täglich werden die Eintragungen fortgesetzt, am 29. Juli schreibt Koll: „Jeder hatte seine Reisepläne für die nahen Ferien. Draußen, wo das fahle Licht der Lampen ins sommerliche Laub fiel, versprachen wir uns beim Abschied Grüße aus aller Welt.“ Beim Nachmittagskaffee fällt das Wort: „Es gibt Krieg.“

Am 31. Juli ab vier Uhr gibt es eine Telefonsperre, „das tut das Reich nur im äußersten Falle“. Es wird von Maschinengewehren auf den Kölner Domtürmen und Uniformen berichtet, „die Friedenspläne begannen in den Hintergrund zu treten.“

Dr. Ernst Koll

In Burscheid beginnt die Rekrutierung der jungen Männer: „Drüben holen sie einen! Der kehrt jedoch gelassen zurück. Eine Übung! rief er den Nachbarn zu. Sein Lächeln hatte etwas Schicksalhaftes. Als er nach Jahren aus Sibirien heimkam, war alles anders geworden.“

Am 1. August kommt die Nachricht: Ein deutsch-russischer Krieg ist in Aussicht. „Die dunkle Wolke stand senkrecht über uns, und jeder Augenblick konnte den Weltenbrand entzünden. Aber dann hörte ich auch von der stolzen Begeisterung, mit der in Remscheid die Reserveoffiziere am Freitag zu den Fahnen geeilt waren. ,In sechs Wochen sind wir wieder hier.’ Lachend hatten sie noch einmal zurückgewinkt, als sie aus dem Auto die Bahnhofstreppe emporstiegen.“

In Burscheid „zerriss plötzlich ein Schrei die furchtbare Spannung dieser letzten Stunden: Mobil! Der Radler war schon die Straße hinabgesaust. Er fiel als einer der Ersten.“

Am 2. August traf man sich zum Sonntagsgottesdienst in der Kirche. Als der Geistliche begann: „Dunkler und dunkler zogen sich die Wolken über unserem Vaterland in der letzten Woche zusammen!, da ging ein verhaltenes Schluchzen durch die Menge“, hält Koll fest. Beim anschließenden Frühstück „stießen wir auf glückliche Heimkehr an, und als dann der alte Rechnungsrat ins Zimmer polterte und mit den Worten Deutschland, Deutschland über alles! seine feldgrauen Reserveleutnants hereinschob, schien uns der Krieg schon halb gewonnen.“

Patriotische Begeisterung zeigt sich in den Aufzeichnungen am 3. August: „In der Schule saßen nur wenige Kinder, alle mit den Farben Schwarz-Weiß-Rot geschmückt, die meisten eilten zur Bahn. Wir hatten ja Sedan feiern wollen. Als wir zum Abschiede hinausgrüßten, sang der ganze Bahnsteig mit uns: Fest steht und treu die Wacht am Rhein!“