Frieda & Richard: Richard Löwenherz

Ein Amselpärchen und seine Brut

Burscheid. Es ist an der Zeit, von Richard zu sprechen. Zu Beginn dieser Kolumne habe ich ihm Unrecht getan. Ich habe ihn als schreckhaft beschrieben. Dabei steht der arme Kerl nur den lieben langen Tag unter Strom.

Bei Amselweibchen beschleicht mich inzwischen ohnehin der (noch ungeprüfte) Verdacht, dass sie während der Brutzeit innerlich Narkotika ausschütten. Anders kann ich mir nicht erklären, wie Frieda es den lieben langen Tag aushält, mit seelenruhigem Blick auf ihren fünf Eiern zu hocken.

Richard dagegen hüpft aufgeregt von Ast zu Ast und behält im Garten die Gesamtlage im Blick. Wenn Gefahr naht, zieht er die Aufmerksamkeit gezielt auf sich und legt sich singend mit den krächzenden Elstern an. Das ist dann in etwa so, als würde ich einem japanischen Sumokämpfer oder einem Türsteher auf den Kölner Ringen vors Schienenbein treten. Ich habe mich so etwas noch nie getraut. Darum empfinde ich inzwischen Hochachtung für Richard.

Aber er hat auch eine weiche Seite: Wenn Frieda mal auf Futtersuche ist, kann man ihn bisweilen fürsorglich direkt am Nest entdecken. Die Kinder bezeugen zudem, Richard auch schon beim Füttern von Frieda beobachtet zu haben. Ich bin mir sicher, dass er einmal sogar brütend im Nest gehockt hat. Meine Frau zweifelt das an. Wahrscheinlich schließt sie wieder von mir auf andere. Auch die ornithologische Fachwelt ist in dieser Frage nicht entschieden. Aber ich. Ein Beweisfoto gibt es nicht. Sie müssen mir einfach glauben.

Vor allem aber kann Richard wunderbar singen. Weil er schon ein paar graue Federn hat, gehen wir davon aus, dass er bereits betagter ist. Anders als bei manchen seiner menschlichen Sangesbrüder ist sein Timbre im Alter aber keineswegs ins Zittrige umgeschlagen, sondern erklingt weiter glockenhell.

Gelegentlich verspüre ich den Impuls, ihn auf meiner Kistentrommel zu begleiten. Aber vermutlich würde er mich nur für eine Elster halten.