Gedreht, aber nie aufgeführt

Das Musik Ludwig zeigt ab dem 3. März eine Ausstellung zum Schaffen des Filmemachers Günter Peter Straschek.

Foto: Michael Biron

Köln. Günter Peter Straschek war Filmemacher, Historiker und der wohl größte Kenner der „Filmemigration aus Nazideutschland“: So der Titel seiner fünfstündigen Fernsehserie (1975), die über vier Jahrzehnte im Archiv des WDR schlummerte. Jetzt rückt das Museum Ludwig sie vom 3. März bis 1. Juli in das Zentrum der ersten Ausstellung zu Strascheks filmischem Schaffen.

Zu sehen ist auch sein Frühwerk, darunter zum ersten Mal der Kurzfilm „Ein Western für den SDS“, der 1968 beschlagnahmt, nie aufgeführt und eben deshalb zur Legende wurde. Der Western und der 1970 gedrehte Film „Zum Begriff des kritischen Kommunismus bei Antonio Labriola“ galten als verschollen. Beide Filme wurden während der Vorbereitung der Ausstellung gefunden.

Der Österreicher Günter Peter Straschek, der 2009 verstorben ist, gehörte wie Hartmut Bitomsky, Harun Farocki und Helke Sander dem ersten Jahrgang der Deutschen Film- und Fernsehakademie (DFFB) an, der 1966 seine Ausbildung in Westberlin aufnahm. Die Filmstudenten brachten sich in die Neue Linke ein, sie dokumentierten soziales Elend, zeichneten Demonstrationen auf und unterstützten Kampagnen.

Strascheks erster Film „Hurra für Frau E.“ (1966) ist das Porträt einer Mutter, die mit Prostitution die staatliche Fürsorge aufbessert. Sein „Western für den SDS“ (1967/68) schildert die Entwicklung der Linken als Lernprozess von Frauen, die in der Bewegung ihr Bewusstsein schärfen, aber weiterhin nichts zu sagen haben. Die Querelen um den Film zeigt die DFFB-„Wochenschau“ „Requiem für eine Firma“ (1969): Der Western wird von der Direktion beschlagnahmt, 18 Studenten, die sich mit Straschek solidarisiert haben, werden von der Akademie relegiert. Die „revolutionäre Filmarbeit“, der sie sich in diesen Monaten widmen (Straschek und Meins drehen mit Frankfurter Schülern), kommt bald zum Erliegen. Strascheks „Zum Begriff des kritischen Kommunismus bei Antonio Labriola“ (1970) weist auf die Kluft zwischen Arbeitern und Intellektuellen hin und schildert so bissig wie witzig die „Schwierigkeiten der Revolution“ (Labriola).

In den frühen 1970er Jahren wendet sich Straschek der Filmgeschichte zu. Während der Arbeit an seinem „Handbuch wider das Kino“ (1975) stößt er auf das Thema, das ihn bis zu seinem Tod beschäftigen wird: das Exil von Filmschaffenden aus dem nationalsozialistischen Deutschland. Über 2000 Filmleute mussten vor den Nazis fliehen — von Prominenten wie Billy Wilder oder Lotte H. Eisner bis zu unzähligen, heute vergessenen Schauspielern, Cuttern und Autoren. Straschek ist meist der erste und oft der einzige, der sich für ihren Lebensweg interessiert.

In der WDR-Fernsehserie kommen 50 von ihnen zu Wort. Die Einstellungen sind meist unbewegt und außergewöhnlich streng komponiert. Strascheks Blick ist so präzise wie einfühlsam: ein beharrlicher Blick, der die verleugnete Vergangenheit auf die Tagesordnung setzt. Geschult hat er diesen Blick auch im Kino, etwa am kompromisslosen Werk der Filmemacher Jean-Marie Straub und Danièle Huillet, mit denen er seit Mitte der 1960er Jahre befreundet war. In der Ausstellung ist Straubs und Huillets „Einleitung zu Arnold Schoenbergs Begleitmusik zu einer Lichtspielscene“ (1972) zu sehen. Straschek liest darin Briefe aus den 1920er Jahren, in denen Schoenberg antisemitische Bemerkungen Wassily Kandinskys scharf zurückweist.

Die Ausstellung wurde vom Künstler Eran Schaerf gestaltet. „Günter Peter Straschek. Emigration - Film - Politik“ ist die vierte Ausstellung innerhalb der Projektreihe „Hier und Jetzt“ im Museum Ludwig. Hierbei handelt es sich um ein experimentelles Format, bei dem die Ausstellungspraxis neu verhandelt wird und sich für Positionen öffnet, die nicht zwingend aus der bildenden Kunst kommen müssen.