Geschichte: Eine ganze Stadt erinnert sich
Etwa 300 Burscheider kamen zur Vorführung eines historischen Films.
Burscheid. Mit diesem Andrang hatten auch die kühnsten Optimisten beim Geschichtsverein nicht gerechnet. Hektisch werden zusätzliche Stühle rangeschafft, doch der Besucherstrom in die Aula der Hauptschule reißt auch um kurz vor 18 Uhr noch nicht ab. Und so bleiben während der nächsten Stunde für einige Zuschauer nur Stehplätze.
Am Freitag gab es eine echte Premiere, die für viele trotzdem ein Wiedersehen war. 1956 wurden anlässlich des 100-jährigen Bestehens von Burscheid die Feierlichkeiten auf Film gebannt. Viele Jahre lagen diese Aufnahmen unbeachtet im Archiv der Stadt. Bis sich der Geschichtsverein dem historischen Material annahm. Herausgekommen ist ein etwa einstündiger Film, der bei den 300 Besuchern der Premiere viele Erinnerungen weckte, für viele Lacher sorgte und einige auch wehmütig in die Vergangenheit blicken ließ.
Wehmut kam zum Beispiel auf, als zu Beginn des Films Aufnahmen von Burscheider Geschäften zu sehen waren: Denn ob Stuhlhersteller oder Großgärtnerei — keines der gezeigten Geschäfte existiert heute noch. Auch die Tatsache, dass das Schulzentrum in den 50er Jahren komplett ohne Kredite finanziert werden konnte, ließ angesichts der aktuellen Finanzlage der Stadt neidisch werden.
Doch abgesehen von solchen Momenten herrschte am Freitag vor allem Heiterkeit vor. Zum Beispiel, als Bilder der A 1 über die Leinwand flimmerten und nach einigen Sekunden ein einsames Auto vorbeifuhr. Anne Marie Frese, die Vorsitzende des Geschichtsvereins, erinnerte sich: „Als Kind habe ich auf der Autobahn Fahrradfahren und Schlittschuhlaufen gelernt.“ Frese, die den kompletten Stummfilm kommentierte, war es auch zu verdanken, dass nie Langeweile aufkam. Auch als nur die Bläser eines Orchesters zu sehen waren, sorgte sie für Lacher: „Die Zwei blasen sehr intensiv, aber man hört trotzdem nichts.“
Auch für Anne Marie Frese boten die Filmschnippsel eine Überraschung. Denn sie war selbst an der Feier zum 100-jährigen Bestehen der Stadt beteiligt und somit auch auf dem Film zu sehen: „Mein Mann hat sich schlapp gelacht, er hatte mich noch nie als Teenager gesehen.“
Und auch die Zuschauer entdeckten immer wieder bekannte Gesichter. „Der Enkel sieht genau so aus. Oder ist es schon der Urenkel?“, war trotz Flüsterns genau so zu hören wie: „Der ist schon immer so komisch gegangen.“
Als Fazit blieb für alle Gäste der Premiere nur zu ziehen, dass Burscheid 1956 eine wunderschöne Stadt war. Wobei der Vergleich der Bilder vielleicht auch nicht ganz fair ist, denn zum 100-jährigen Bestehen hatten sich die Stadt und alle Einwohner auch ganz besonders herausgeputzt.