Interview mit Ernst Grigat, Leiter des Chemparks: "Leverkusen hat viel zu bieten"
Der Chempark Leverkusen sieht sich gerüstet für die Krise. Leiter Dr. Ernst Grigat blickt mit vorsichtiger Zuversicht auf 2012.
Herr Dr. Grigat, wie fällt Ihre Jahresbilanz für den Chempark aus?
Ernst Grigat: Wir sind mit dem Jahr 2011 sehr glücklich. Wir haben mehr als 200 Millionen Euro Investgelder für den Standort Leverkusen bekommen. Das ist für uns ein Riesenerfolg. Alle Firmen zusammengenommen gibt es hier mehr als 30 000 feste Arbeitsplätze und diese Zahl ist seit Jahren stabil. Das ist für die Stadt und die Region ein wichtiges Zeichen.
Die Eurokrise ist das bestimmende Thema des Jahres. Ist der Chempark dafür gerüstet?
Grigat: Hier am Standort gibt es kaum Anzeichen für eine Krise. Wir blicken trotzdem mit Vorsicht in die Zukunft. Gut gerüstet sind wir definitiv. Wir haben in den Jahren 2008/2009 eine massive Krise miterlebt. Damals konnten wir feststellen, dass die Firmen und das Management des Chemparks damit umgehen können. Wir haben die Krise besser gemeistert als vorher angenommen und dabei kaum Arbeitsplätze verloren. Geholfen hat die Tatsache, dass wir rechtzeitig Vorkehrungen getroffen haben. Geholfen hat auch das Kurzarbeitergesetz, mit dem Entlassungen vermieden werden konnten.
Wie sieht der Chempark Leverkusen in zehn Jahren aus?
Grigat: Voller als heute, weil wir derzeit freie Flächen haben, die wir aktiv vermarkten und die eine entsprechende Resonanz bekommen. Hier erwarten wir in den kommenden Jahren zahlreiche Investitionsprojekte. Wir sehen den Chempark auch künftig als starken Chemie- und Industriestandort. Es wird aber voraussichtlich kein reiner Chemiestandort mehr sein, denn wir bieten auch Platz für Großindustrie außerhalb der Branche. Bestes Beispiel ist dafür die Firma NKT Cables. Diese schon vorhandene Mischung wird sich künftig noch verstärken.
Welche Rolle spielt der Chempark für junge Unternehmen und Existenzgründer?
Grigat: Wir bieten für kleine und kleinste Firmen Anknüpfungspunkte für spannende Themen. Das ist zum einen die Verbindung zu den forschenden Firmen am Standort und andererseits eine inhaltliche Verknüpfung über das Netzwerk innovative Werkstoffe. Wir verstehen uns als Themenscouts innerhalb des Chemparks und können so Leuten mit innovativen Ideen sagen, wo sie Anknüpfungspunkte finden können. Hier haben wir gerade für Gründer eine wichtige Wegweiser-Funktion. Dazu kommen interessante Dienstleistungsangebote in Bereichen wie beispielsweise der Analytik.
Die Lanxess-Zentrale zieht nach Köln. Welche Auswirkungen hat dies für den Chempark?
Grigat: Der Umzug hat eine Signalwirkung für Lanxess, das nun ein Kölner Industrieunternehmen wird. Für den Chempark hat der Umzug keine Signalwirkung, denn er ist und bleibt der größte Produktionsstandort für Lanxess.
Welche Bedeutung hat der Chempark Leverkusen für die Stadt und die Region?
Grigat: Der Standort ist mit seinen 30 000 Arbeitsplätzen ein Knotenpunkt für die Wirtschaft. Daran hängen noch viele weitere Arbeitsplätze in der Stadt und Region — von den Lehrern für die Kinder über den Einzelhandel bis zu Themen wie Hobby und Wohnen. Alles basiert auf der Industrie.
Wie wichtig ist das Thema Ausbildung mit Blick auf den drohenden Fachkräftemangel?
Grigat: Wir sind einer der größten Ausbilder der Region. Wir haben eine eigene Ausbildung anzubieten — kaufmännisch, naturwissenschaftlich und technisch. An allen Standorten zusammengenommen werden mehr als 2000 junge Leute ausgebildet und das von der Lehre bis zu kombinierten Studienplätzen. Wir sind ein sehr begehrter Ausbilder und die Ausbildung ist eine wichtige Quelle für unsere späteren Fachkräfte, das gilt für den Standort genauso wie für Firmen in der Region. Wichtig ist dabei, schon in den Schulen anzusetzen, um den Nachwuchs für uns zu interessieren. Dafür gibt es eigene Programme von uns und den Unternehmen des Chemparks. Wir sehen durchaus einen Engpass, aber wir sehen keinen Mangel, der negative Folgen für die Firmen am Standort haben könnte.
Welche Rolle spielten die Kooperation mit Universitäten und der Campus Leverkusen?
Grigat: Es gibt verschiedene Kooperationen mit Universitäten und Fachhochschulen. Intensiv geschieht dies mit Aachen, der Uni Köln und der TU Dortmund. Das neueste Gebäude im Chempark ist eine Kooperation der Bayer Technology Services und der TU Dortmund. Invite ist eine Firma, die moderne Produktionstechniken erforscht und diese nutzbar macht. Das ist ein zukunftsweisendes Projekt. Der Campus Leverkusen ist hier unmittelbar bei uns am Standort angesiedelt, wo dieser arbeiten kann, bis in Opladen das eigene Gebäude voraussichtlich im Jahr 2015/16 fertiggestellt ist.
Um neue Fachkräfte binden zu können, muss auch die Attraktivität des Standorts stimmen. Ist das hier der Fall?
Grigat: Diese Frage kann man leicht beantworten, wenn man in die Stadtteile Leverkusens geht, die einen hohen Wohn- und Freizeitwert besitzen. Ich werde schon mal von Kollegen gefragt, die die Stadt nicht gut kennen: Warum wohnst Du in Leverkusen. Da gibt es doch nur Autobahn und Werk. Spätestens wenn sie mich einmal zu Hause besucht haben, erübrigt sich die Frage. Leverkusen hat enorm viel zu bieten. Außerdem liegt die Stadt mit Düsseldorf im Norden und Köln im Süden in einem sehr attraktiven Umfeld. Man kann ländlich wohnen und städtische Freizeitangebote nutzen. Da schöpft die Region aus dem Vollen und kann zudem noch eine ausgezeichnete Infrastruktur bieten. Daher ist es nicht schwer, internationale Führungskräfte nach Leverkusen zu bekommen.
Welches ist Ihr persönlicher Lieblingsort in der Stadt?
Grigat: Das ist der Obstwanderweg in Richtung Burscheid. Dort kommt man an einer Reihe alter Obstsorten vorbei, die schon fast in Vergessenheit geraten sind. Dass es die noch gibt, liegt auch an den früheren Brennereien in der Region, die besondere Sorten für ihre Schnäpse gebraucht haben. Der Weg ist daher höchst interessant und zudem landschaftlich wunderschön. Er ist für Reiter und Läufer genauso geeignet wie für Spaziergänger.