Interview „Köln ist meine Heimat geworden“

Chilly Gonzales beendet mit „Solo Piano III“ sein Kammermusik-Projekt.

Foto: Alexandre Isard

Köln. „Solo Piano III“ ist der Schlussakt von Chilly Gonzales Kammermusik-Projekt — und wie immer tauchen vor dem Sprint in Richtung Ziellinie die letzten Probleme auf, müssen die letzten Lösungen gefunden werden.

Wie die beiden vorangegangenen Alben findet es ein überwiegend glückliches Ende in C-Dur, doch auf dem Weg dorthin gibt es mehr Dissonanzen, Spannungen und Unklarheiten. Live zu hören gibt es das neue Album am 28. und 29. Dezember in der Kölner Philharmonie sowie am 21. März in der Düsseldorfer Tonhalle.

Fällt es schwer, sich jetzt von dem Projekt zu verabschieden?

Chilly Gonzales: Ich habe bislang immer den Luxus gehabt, mit neuen Projekten zu arbeiten. Da kann man einfach die Reset-Taste drücken und wieder ganz von vorne beginnen. Das ist sehr gemütlich, weil man sich keinem Erwartungsdruck aussetzt. Die Solo-Piano-Serie ist da eine Ausnahme. Das erste Album war ein großer Erfolg und die Leute haben sich intensiv damit beschäftigt. Entsprechend groß waren die Erwartungen bei den beiden Folgealben. Das hat für mich viel Druck und Stress bedeutet. Man vergleicht die Musik und es besteht die Gefahr, enttäuscht zu werden. Insofern freue ich mich jetzt wieder auf neue Projekte.

Was hat sich beim dritten Album des Kammermusikprojektes verändert?

Gonzales: Das erste Album war etwas gedämpfter, beim zweiten war der Klang popiger und kristalliner. Jetzt ist der Klang tiefer und die Strukturen sind weniger transparent, dafür aber ausdrucksstärker und facettenreicher. Es ist Musik in drei Dimensionen. Man hat das Gefühl, dass es zwei Pianos gibt, die von drei Händen gespielt werden. Erreicht habe ich das durch Veränderungen am Piano selbst.

Eines Ihrer weiteren Projekte ist das Musikkonservatorium für junge Musiker.

Gonzales: Das ist gerade mein Lieblingsprojekt. Aktuell war das Konservatorium in Paris. Im kommenden Jahr wird es das Workshopangebot mit mir auch in Köln geben — meiner Wahlheimat. Das ist ein Projekt mit viel Leidenschaft und Energie für andere Menschen. Das fühlt sich für mich sehr gut an. In Paris haben wir sieben Teilnehmer, die wir aus 800 Videobewerbungen ausgesucht haben.

Worum geht es bei dem Workshop?

Gonzales: Thematisch geht es um Publikumspsychologie sowie um Auftrittstheorie und -praxis. Ich habe eine Methode entwickelt wie man authendische Momente auf der Bühne schaffen kann. Allgemein glaubt man, dass man dazu ein angeborenes Charisma und Bühnentalent braucht. Das sehe ich anders. Es gibt viele Wege, um die Verbindung zum Publikum herzustellen. Das ist etwas das man lernen kann. Meine Schüler reichten von Rapper bis zum Jazzsaxofonisten.

Kann man sich für Köln noch bewerben?

Gonzales: Jetzt steht erst einmal die Tour von „Solo Piano III“ im Mittelpunkt. Um den neuen Workshop kümmern wir uns dann ab Ende Januar. Bewerbungen in Form eines Videos sind natürlich möglich. Für mich ist das eigene Konservatorium ein echtes Marathonprojekt. Ich bin dabei eine Methode zu finden, Leute zu erziehen, die eigentlich unerziehbar sind. Ich nehme mir dafür viel Zeit und will fundiertes Wissen vermitteln.

Sie leben in Köln. Wie beurteilen Sie die Stadt als Kulturstadt?

Gonzales: Ganz ehrlich — ich will privat in keiner Kulturaktionsstadt leben. Dafür bin ich regelmäßig in Paris, Lodon oder Berlin. Köln ist wunderbar unprätenzöis. Ich fühle mich hier ganz anders, als bislang in meinem Leben. In Köln habe ich auch einen ganz anderen Lebensstil entdeckt, bei dem nicht immer der Musiker Chilly Gonzales im Mittelpunkt steht. Ich habe eine echte emotionale Verbindung zu dieser Stadt entwickelt — sie ist meine Heimat geworden. Köln hat eine besondere Atmosphäre und viele grüne Ecken. Außerdem liegt die Stadt wirklich zentral, man ist von hier sehr schnell in Städten wie London, Paris oder Berlin.

Wie kann man heute in der digitalen Welt junge Leute noch für Musik begeistern?

Gonzales: Für junge Musiker ist das doch jetzt die beste Zeit, die es je gegeben hat. Die Technik öffnet ihnen so viele Türen. Und Pop, Rap und elektronische Musik sind ungeheuer dynamische und lebendige Genres. Es ist wichtig, dass die Musik in einem Context steht und eine Geschichte in sich trägt. Sie braucht Dinge, die sie verstärken und verankern, sonst funktioniert sie nicht. Und Musik muss lebendig und flexibel sein, das macht sie auch für junge Leute attraktiv. Ich selbst bin total begeistert von gutem Rap. Genres wie Klassik und Jazz fehlt oft diese Dynamik und Lebendigkeit. Diese Stil sind wie in einem Museum gefangen.