Timeride Auf Zeitreise am Alter Markt
Köln · Für den Timeride-Gründer Jonas Rothe war die Reise durch die Zeit ein lang gehegter Kindheitstraum, den er durch Gründung seines Unternehmens 2016 in München hat real werden lassen. „Mit einer modernen Virtual-Reality-Brille kann man wirklich in die Geschichte eintauchen und diese ganz neu erleben“, sagt Rothe. Der erste Timeride wurde 2017 am Kölner Alter Markt eröffnet, wo die Gäste mit einer historischen Straßenbahn und modernen VR-Brillen in das Köln der Kaiserzeit reisen konnten.
Inzwischen gibt es den Timeride auch in Dresden, Berlin, München und Frankfurt. 500.000 Menschen haben bislang an den fünf Standorten die Möglichkeit einer virtuellen Zeitreise genutzt.
„Die Corona-Jahre waren für uns alles andere als einfach, da es an jedem Standort eine andere Landesverordnung mit anderen Regeln gab. 2020 lagen die Besucherzahlen bei null, inzwischen sind wir aber wieder auf einem guten Weg, an die Zahlen der Zeit vor Corona anzuknüpfen. Natürlich müssen auch wir hier mit steigenden Kosten wie bei der Energie zurechtkommen“, berichtet Rothe, der aktuell am Alter Markt eine Zeitreise in die Goldenen 20er Jahre in Köln anbietet und dabei von kölschen Originalen wie Ludwig Sebus oder Björn Heuser unterstützt wird.
„Wir suchen nach
Geschichten in der Geschichte“
Bevor eine neue Zeitreise ins Angebot kommt, sind zunächst die Mitarbeiter der historischen Recherche bei Timeride gefragt: „Wir suchen nach den Geschichten in der Geschichte. Das sind Begebenheiten, die viele Menschen bewegen und die viele kennen. Es gibt aber auch überraschende neue Dinge, die wir in unsere Story einfließen lassen. Aus all dem entsteht dann das Konzept, das unsere 3D-Artisten visuell umsetzen“, sagt der Leiter der historischen Recherche, Lukas Fischer.
Dabei geht es um viele Details, die später den Reiz der Zeitreise ausmachen: „Das betrifft die Kleidung der Menschen im Jahr 1926 genauso wie die Gebäude. Dabei nutzen wir zum Beispiel Katasterkarten aus der Zeit, alte Adressbücher oder historische Aufnahmen aus verschiedenen Kölner Archiven. Das ist wie bei einem großen Puzzlespiel oft ziemlich mühsam und zeitaufwendig. Aber unsere Reise führt auch nicht nur durch die bekannten großen Straßen der Stadt, sondern auch durch kleine Seitenstraßen mit versteckten Ecken, die wir sichtbar machen.“
Gerade die 20er Jahre unter dem Oberbürgermeister Konrad Adenauer seien in Köln die Zeiten der großen Veränderungen gewesen: „Das betrifft die Kleidung genauso wie die Struktur der Stadt. Unter Adenauer wurde die Uni wiedereröffnet, die Messe entstand und der Flughafen wurde gebaut. Das alles versuchen wir auch in unsere Zeitreise miteinfließen zu lassen. Dabei haben wir einen sehr hohen Anspruch an unsere historische Rekonstruktion.“
Visuell umgesetzt wird alles von 3D-Artisten wie Fabian Kampa, der unter anderem den Kölner Dom digital neu errichtet hat. „Zunächst muss ich die Strukturen eines Gebäudes genau erfassen. Dort gibt es viele wiederkehrende Formen, die ich wie Module beim Aufbau des Gebäudes nutzen kann. Aktuell beschäftige ich mich gerade mit der Konstruktion von Fachwerkhäusern“, sagt Kampa. Bei seiner Arbeit muss auch er viele Details wie zum Beispiel die korrekte Farbgebung der Gebäude oder die Kleidung der Personen auf der Straße beachten. Der Detailgrad hängt immer davon ab, wie nah der Betrachter einem Gebäude kommt. Bei Häusern, an denen die Straßenbahn direkt vorbeifährt, kann man beispielsweise in die Läden blicken“, erläutert Kampa, der auch Kunstgeschichte studiert hat.
Zum fünfjährigen Bestehen des Timeride in Köln gibt es jetzt in den Herbstferien zusätzlich zum Köln im Jahr 1926 ein neues Angebot – die Deutschland-Zeitreise. In zehn Minuten führt Sprecherin Lisa Schulz die Gäste durch 2000 Jahre deutsche Geschichte. Die Remscheiderin ist als Produktdirektorin Mitglied der Geschäftsleitung bei Timeride.
Los geht es am Praetorium im römischen Köln. Erleben kann man den Aufbruch von Kaiser Barbarossa in Regensburg zu den Kreuzzügen im Heiligen Land, Ritterturniere in München oder die Arbeit des Reformators Martin Luther. Der Sprung in die Neuzeit wird bei einem Blick auf die Frankfurter Paulskirche spürbar. Weitere Kölner Stationen sind der Dom in den 1920er Jahren und als harten Kontrast der nach dem Zweiten Weltkrieg komplett zerstörte Alter Markt. Das Finale bildet der Mauerfall in Berlin.
Die 360-Grad-Bewegtbildszenarien mit den prägenden Ereignissen der deutschen Geschichte gibt es in Köln nur während der Herbstferien zu sehen. Danach bekommt die Deutschland-Zeitreise ihren festen Standort beim Berliner Timeride unweit des Checkpoint Charlie an der Zimmerstraße. „Mit diesem Angebot wollen wir vor allem Kinder und Jugendliche für Geschichte begeistern. Schulklassen sind eine immer wichtiger werdende Zielgruppe von uns. Dazu kommen in Köln neben den Touristen auch besonders viele Einheimische und Menschen aus der Region, die sich für die eigene Geschichte interessieren“, freut sich Rothe.