Jubiläum Die Anfänge des jecken Treibens reichen bis ins Mittelalter zurück

Köln · Beim jecken Treiben in diesem Jahr ist alles auf das große Jubiläum ausgerichtet. Im Jahr 1823 startete in Köln der organisierte Karneval, wie wir ihn heute noch kennen. Das Festkomitee wurde gegründet und der erste Zoch ging an den Start.

Diese jecken Soldaten stehen seit 200 Jahren für den Frieden: Statt Patronen kommen Blumen in die Gewehrläufe der Roten Funken.

Foto: step/Eppinger

Begleitet wurde der „Held Carneval“ damals von den Roten Funken, die ebenfalls auf eine 200-jährige Geschichte zurückblicken können.

Gegründet wurde damals auch die Karnevalsgesellschaft „Die Große von 1823“ und die heutige Tanzgruppe „Hellige Knäächte un Mägde“, deren Vorgeschichte allerdings weit länger zurückreicht. Zum Jubiläum blicken wir zurück auf die Anfänge des Karnevals und Mittelalter und geben einen Ausblick auf die Jubiläumssession:

 

Mittelalter: Winteraustreibungen und ausschweifendes Trieben am Vorabend der österlichen Fastenzeit gab es in Köln bereits im Mittelalter. Vorläufer waren hier die Frühlingsfeste der Antike und die Feier der Wintersonnenwende bei den Germanen. Die ersten schriftlichen Überlieferungen zur „Mummerei“ im Mittelalter reichen zurück bis ins Jahr 1220. Man feierte mit Essen, Trinken und Tanz. Dazu kamen Verkleidungsspiele und Umzüge. Akteure waren hier die Gaffeln. Da das Geschehen immer exzessiver wurde, gab es mehrfach Versuche der Stadtoberen, den „Mummenschanz“ zu unterbinden.

 

Neuzeit: Auch in der Frühen Neuzeit wurde am Rhein jeck gefeiert. Der heutige „Wieverfastelovend“ hieß damals „Lutzenfastabend“, den Karnevalssonntag nannte man „Großfastabend“ und den Rosenmontag „Kleinfastabend“. Gefeiert wurde an diesem Tag besonders ausgelassen und verkleidet. Es gab Umzüge und natürlich wurde auch weiter getanzt und getrunken. Etwas gemütlicher war der „Letstfastabend“ am Karnevalsdienstag, an dem man zu Hause feierte und sich verkleidete. Der Aschermittwoch war der „Eschtag“, an dem die Fastenzeit begann. Ab dem 18. Jahrhundert wurde die sogenannten „Redouten“ gefeiert – Masken- und Kostümbälle nach venezianischem Vorbild.

 

Franzosen – und Preußenzeit: In der Zeit der Franzosen am Rhein gab es weiter närrische Maskenbälle. Der Straßenkarneval war aber kaum noch vorhanden. Die Preußen standen dem jecken Treiben nach dem Abzug der Franzosen 1815 ablehnend und kritisch gegenüber – am liebsten hätte man das gesamte Geschehen komplett untersagt.

 

1823: Dieses Jahr war eine Wendemarke für den Kölner Karneval. Dieser wurde mit der Gründung des „Festordnenden Comités“ in neue Bahnen gelenkt und so erfolgreich wiederbelebt. Verstärkt wurde die Kritik an der fremden Obrigkeit in den Fokus gerückt. Am 10. Februar 1823 gab den ersten Maskenumzug mit dem „Helden Carneval“ und den Roten Funken – die einstigen Stadtsoldaten. Der nachgebaute Wagen des Helden steht heute im Kölner Karnevalsmuseum und wird im Staatenhaus vom Zillche gerade für das neue Divertissementchen gebraucht.

 

Dreigestirn, Kappen, Orden & Co.: Viele Bräuche wie Sitzungen mit humorvollen Reden auf dem Narrenstuhl als Vorläufer der Bütt, die großen Bälle oder die Ordensverleihungen und das Tragen von gleichen Kappen entstanden in den Folgejahren. Das Kölner Dreigestirn als Einheit existiert seit 1870, seinen offiziellen Namen bekommt es aber erst seit dem Jahr 1938. 1872 wurde aus dem Helden der Prinz Karneval. Ihm wurde der Kölner Bauer, der 1825 erstmals mit seinem Dreschflegel und Stadtschlüssel beim großen Umzug dabei ist, und die Kölner Jungfrau zur Seite gestellt. Heute absolviert das Trifolium in der Session bis zu 400 Auftritte und residiert in seiner Hofburg. Proklamiert wird es seit 1959 im Gürzenich.

 

Musik: 1907 startet Willi Ostermann mit dem Lied „Dem Schmitz sing Frau ist durchgebrannt“ seine musikalische Karriere, die den kölschen Karneval prägen wird. Wie kein anderer vermochte Ostermann banales Alltagsgeschehen in Lieder fassen und das, obwohl er weder Noten lesen noch schreiben konnte. Nach ihm benannt wurde die Willi-Ostermann-Gesellschaft. Seit 1939 trägt zudem ein Brunnen in der Altstadt seinen Namen.

 

NS-Zeit: 1935 widersetzte sich der offizielle Kölner Karneval dem Eintritt in die NS-Organisation „Kraft durch Freude“. Inhaltlich ging man aber nicht auf Distanz zum NS-Regime. So war ein Teil der führenden Köpfe des Karnevals bereits Mitglied der NSDAP. Immer wieder wurden Juden wie beim Umzug an Rosenmontag Ziel antisemitischer Diffamierungen. Kritische Redner wie Karl Küpper waren unerwünscht.

 

Zugausfälle: Immer wieder musste der Zoch abgesagt werden. Das galt für den Deutsch-Französischen Krieg 1871 genauso wie für die beiden Weltkriege oder die Weltwirtschaftskrise 1931/32. Abgesagt wurde der Umzug auch beim Golfkrieg 1991 – damals entstand der alternative Geisterzug in Köln. Abgesagt wurde der Zoch außerdem 2021 wegen Corona – hier sorgte der Puppenumzug des Hänneschen-Theaters für einen originellen Ersatz. Im vergangenen Jahr machte zunächst Corona und dann der Ukraine-Krieg den Jecken einen Strich durch die Rechnung – aus dem Rosenmontagszug wurde eine Rosenmontags-Friedensdemo mit mehr als 250.000 Teilnehmern.

 

2023: Heute gibt es in Köln etwa 160 Karnevalsgesellschaften, Heimatvereine und Veedelsgemeinschaften mit insgesamt mehr als 500 Sitzungen, Bällen und Umzügen. Im Jubiläumsjahr wird der Rosenmontagszug am 20. Februar erstmals vom rechtsrheinischen Deutz am Dom und den Ringen vorbei zum Chlodwigsplatz in der Südstadt ziehen. Das Dreigestirn stellen die Roten Funken als Jubiläumsgesellschaft mit Prinz Boris I., Bauer Marco und Jungfrau Agrippina. Auch das Zillche im Deutzer Staatenhaus feiert mit „Fastelovend zesamme!“ ab dem 21. Januar das große Jubiläum. Einen guten Überblick über alle Veranstaltungen der laufenden Session bietet das im BKB-Verlag erschienene Magazin „Karneval in Köln 2023“, das es für fünf Euro im Handel gibt.