Buch-Tipp Die Geierwally vom Barbarossaplatz

Köln · Beim Marzellen-Verlag hat die Kölner Schauspielerin Samy Orfgen gerade ihre Autobiografie veröffentlicht.

Hildegard Krekel und Samy Orfgen (r) umarmen bei Dreharbeiten zu den „Anrheinern“ 2004 ihren Kollegen Ernst H. Hilbich.

Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb/Horst_Ossinger

Schon im zarten Alter von drei Jahren hatte die Kölner Schauspielerin Samy Orfgen ihren ersten öffentlichen Auftritt. Zu sehen ist ein fröhliches Kind mit Stoffdackel Cooki auf dem Cover der Weihnachtssonderausgabe der Kundenzeitschrift der Kölner Kaufhalle. Bekannt wurde die Gastwirtstochter als Darstellerin beim Millowitsch-Theater, bei der TV-Serie „Die Anrheiner“ und natürlich durch den Kultfilm „Die Geierwally“.

Aufgewachsen ist Samy, die damals noch Hilde gerufen wurde, als Tochter von Marianne und Heinrich Orfgen, die an der Luxemburger Straße die bekannte „Gaststätte Orfgen“ betrieben haben – eine echte Institution in der Domstadt. Später wird am Barbarossaplatz das „Haus Orfgen“ eröffnet, das von Samys Schwester Christel und ihrem Mann betrieben wird. Bei ihrem Vater lernt Samy, dass ein Wirt stets auch ein Schauspieler sein sollte, der seine Gäste gut unterhalten kann. Zur später Stunde sitz er oft am Klavier in seiner Gaststube und gibt kölsche Lieder zum Besten.

Nach der Schule ging es oft
direkt in die Gaststätte

Vom Vater, der mit 56 sein erstes Kind bekommt, grenzenlos geliebt, aber auch streng erzogen, wächst Samy behütet auf. Auf ihre Eltern muss sie oft verzichten, denn die stehen von 11 bis 1 Uhr in ihrer Gastwirtschaft – nur montags am Ruhetag ist das anders. Oft ist Samy in der Gaststätte, die für sie eine Art zweites Zuhause wird, auch wenn der Vater Kinder dort nicht gerne sieht. Später bei den „Anrheinern“ kehrt Samy Orfgen als Köchin Lisa zurück zu Frikadellen und Kölsch.

Zu den ersten Bühnenerfahrungen der Kölnerin zählen die Auftritte bei den Karnevalssitzungen und der Theater-AG der Ursulinenschule. Doch schon früher etabliert Samy sich als „Pausen-Clown“, sehr zur Freude ihrer Mitschüler. Ihren Spitznamen Samy erhält Orfgen bei den Karl-May-Freundinnen, wo sie die Rolle des Scouts Sam Hawkens übernimmt.

Der berufliche Weg führt sie nach dem Fachabitur und einem Au-pair-Aufenthalt in Sevilla zunächst in die Übersetzer- und Dolmetscherschule an der Aachener Straße. Später arbeitet Orfgen beim spanischen Generalkonsulat in Düsseldorf und nach weiteren Stationen bei einer Außenstelle der spanischen Botschaft in Köln, die spanische Gastarbeiter betreut. Den Zugang zur Schauspielerei bekommt sie mit 27 durch eine Zeitungsanzeige des „Theaters Cordial, Bennos Bühne“, wo talentierte Nachwuchsschauspieler gesucht wurden. Über Benno Swiénty, bekannt durch die WDR-“Plattenküche“, sammelt die Kölnerin ihre ersten Bühnenerfahrungen, auch wenn der erste Auftritt durch einen Texthänger komplett daneben geht.

Den nächsten wichtigen Schritt macht Samy Orfgen durch den Filme- und Theatermacher Wally Bockmayer. „Mach‘ auf jeden Fall weiter – du bist definitiv für diesen Beruf geeignet“, lautet der erste Kommentar von Wally, der Samy nun künstlerisch unter seine Fittiche nimmt. Er sorgt auch dafür, dass Orfgen ihren ersten Schauspielunterricht bekommt. Sie darf auch erstmals vor der Kamera stehen – wenn auch nur kurz und ohne Text.

Von der Geierwally
bis zu den Anrheinern

Die erste größere Filmproduktion ist „Im Himmel ist die Hölle los“ - unter anderem mit den späteren Weggefährten Dirk Bach und Ralph Morgenstern. Der Durchbruch wartet mit der „Geierwally“. Dies war zunächst ein umjubeltes Bühnenstück in Bockmayers Filmdose. Später entstand daraus ein Kultfilm – mit Samy Orfgen in der Hauptrolle. Für die Kölnerin standen die Zeichen jetzt auf eine Entscheidung – sie gab den Beruf bei der spanischen Botschaft auf.

Nach einer kleinen Durststrecke wird Theaterchef Willy Millowitsch auf Samy Orfgen aufmerksam und holt sie bei sich auf die Bühne. In der Rolle der Frau Bollmann wird sie den Kölnern bekannt. Davor gab es weitere Engagements wie beim Theater der Keller und dem Theater im Bauturm, das dem Millowitsch-Theater genau gegenüber liegt. Und die Theaterlegende erkennt das Potenzial von Orfgen: „Auf die Samy müsst ihr aufpassen, aus der wird noch was Großes“, lautet der Ritterschlag. Auch bei den Klefisch-Filmen bekommt sie ihre Rolle.

Nachdem Samy Orfgen auch mit Soloprogrammen Erfolge feiert, steht sie unter anderem bei der TV-Serie „Forstinspektor Buchholz“ vor der Kamera. Kultstatus erlangt schnell die in Mülheim, direkt am Kölner Rheinufer, gedrehte Vorabendserie „Die Anrheiner“, bei der Orfgen von 1998 bis 2011 unter anderem mit Hilde Krekel, Ernst Hilbich, Ludger Burmann und Tommy Engel im Fernsehen zu sehen ist. Bis 2014 gab es noch die Fortsetzung „Ein Fall für die Anrheiner“. Nach weiteren Engagements beim Millowitsch-Theater unter Peter Millowitsch geht Orfgen 2016 mit 65 Jahren in Rente und verabschiedet sich als gefeierte Volksschauspielerin von ihrem Publikum.

Die gerade im Kölner Marzellen-Verlag erschienene Autobiografie von Samy Orfgen, aufgezeichnet von der Journalistin und Autorin Monika Salchert, ist ein spannendes Stück Kölner Kultur-, Film- und Theatergeschichte. Der Weg von der Gastwirtstochter zur bundesweit bekannten Schauspielerin zeigt eine Frau, die ihren großen Berufswunsch umgesetzt hat. Es ist eine spannend und unterhaltsam zu lesende sowie reich bebilderte Lektüre über eine beeindruckende Karriere, die auch Einblicke in das Privatleben von Samy Orfgen gibt – von der Tierliebe und den Reisen bis zur 68er-Zeit.

Samy Orfgen: Die Autobiografie. Die Geierwally vom Barbarossaplatz, aufgezeichnet von Monika Salchert, Marzellen-Verlag, 144 Seiten, 14.95 Euro.