Düsseldorf Wie Manager aus der Region gegen Armut in Schwellenländern kämpfen
Düsseldorf · Führungskräfte aus Deutschland helfen in Schwellenländern beim Aufbau eines Mittelstands. Corinna Prange aus Düsseldorf und Tobias Nicke aus Köln haben mitgemacht – unserer Autorin haben sie von ihren Erfahrungen berichtet.
Wenn Menschen erzählen, dass sie als Ehrenamtler im Ausland gearbeitet haben, dann zeigen sie meist Bilder her, wie sie für Kinder im Waisenheim gekocht oder Steine für einen Brunnen geschleppt haben. Auch die Düsseldorferin Corinna Prange wollte eine Art sinnvolles Sabbatical machen. Aber kochen und Steine schleppen? „Das sind Dinge, die ich nicht besser kann als sonst einer“, sagt die 43-Jährige. Geklappt hat es trotzdem mit der Hilfe im Ausland. Auf ihren Bildern aus Uganda ist fast immer ein Laptop im Vordergrund. Prange hat dort für die Stiftung „Manager ohne Grenzen“ einem Unternehmen mit ihrer Berufserfahrung unter die Arme gegriffen.
Der Leitgedanke hinter der Arbeit der deutschen Hilfsorganisation ist simpel erklärt: Statt in einem Entwicklungs- oder Schwellenland einen Brunnen zu bauen, von dem nachher keiner weiß, wie er instand gehalten wird, hilft man Firmen vor Ort dabei, Brunnen zu planen und wirtschaftlich zu betreiben. Statt eine Schule zu bauen, die dann leer steht, weil die Kinder zur Feldarbeit gebraucht werden, stärkt man einen Mittelstand, der einen Fachkraftbedarf entwickelt und dafür sorgt, dass Schulen gebaut und von Kindern mit einer Jobperspektive besucht werden. Statt Geld fließt Know-how. Und das soll nachhaltig wirken. „Mittel- und langfristig kann Armut nur über den Aufbau von kleinen und mittelständischen Wirtschaftsstrukturen überwunden werden“, ist Helene Prölß, Initiatorin und Stifterin von „Manager ohne Grenzen“ sicher.
Für Corinna Prange, die Innovationsmanagerin bei einem großen Energieunternehmen ist, war es die perfekte Gelegenheit, etwas beizutragen, bei dem sie besser ist als beim Steineschleppen. „Ziel ist, den Menschen zu helfen, sich selbst zu helfen“, betont sie. Im September 2017 besuchte sie ein Intensivseminar, bei dem die künftigen „Manager ohne Grenzen“ auf ihren Auslandsaufenthalt vorbereitet werden. Prange war Feuer und Flamme und wäre fast überallhin gegangen. Nur nicht nach Afrika – nachdem sie im Anschluss an eine Zelttour durchs südliche Afrika mal sechs Wochen lang mit unbekannter Krankheit flach gelegen hatte. „Aber das Projekt in Uganda klang toll – und es war noch kein deutscher Manager da gewesen.“ Ein Videochat mit ihrer Ansprechpartnerin der Firma in der Hauptstadt Kampala, die auf Solarenergie und Wasserpumpen spezialisiert ist, besiegelte alles und im November saß Prange im Flieger.
Sie wohnte in einem Gästezimmer im Haus der Firmengründerfamilie aus Eritrea. „Ich wurde so positiv aufgenommen. Die Informationen sind mir zugeflogen – alle wollten mit mir sprechen und mir zeigen, was sie machen.“ Defizite fand die deutsche Managerin rasch: Man wollte vor allem wachsen, größer werden, eine Strategie oder eine Evaluation der Arbeit indes fehlte. „Jeder hat geackert – aber ob sie am Ende der Woche gute Ergebnisse erzielt hatten, wusste keiner“, verdeutlicht Prange. Sie führte Geschäftsziele ein, Kriterien für Unternehmenserfolge und ein optimiertes Marketing.
Wirtschaftliche Entwicklungshilfe wirkt nachhaltig im Kleinen
Vier arbeitsreiche, spannende Wochen verbrachte Corinna Prange in Kampala. Ein Jahr später hat sie weiterhin Kontakt mit der Firma: „Es läuft super!“, weiß sie. „Die Arbeit wird zunehmend professioneller.“ Das Unternehmen hat nach Sierra Leone expandiert und Prange überlegt, dorthin zu einem weiteren Einsatz zu reisen. In Kampala war sie im vergangenen Sommer erneut – ihre erste Ansprechpartnerin der Firma vor Ort hatte sie zu ihrer Hochzeit eingeladen. Corinna Prange ist sicher, dass diese wirtschaftliche Entwicklungshilfe im Kleinen nachhaltig wirkt: „Wenn sie ihre Leute fair bezahlen und neue Arbeitsplätze schaffen können, ist das sehr wertvoll.“
Inzwischen ist sie selbst Dozentin bei den Intensivseminaren für neue „Manager ohne Grenzen“. Wie Tobias Nicke, der bei Lanxess in Köln Strategieberater ist. Seine Auslandserfahrung ist „noch ganz frisch“: Erst vor wenigen Wochen ist der 31-Jährige von einem dreimonatigen Sabbatical in Nepal zurückgekehrt. Er half dort einer lokalen Firma, die unter anderem nachhaltigen Tourismus anbietet. Aber er sollte für die deutsche Stiftung, die ihre Arbeit in Nepal intensivieren und womöglich einen Stützpunkt – einen sogenannten Business Hub – aufbauen will, auch herausfinden, was das Land eigentlich braucht. Zwei Wochen lang reiste er erst einmal abseits der Touristenrouten am Everest und der Annapurna-Runde durch die Dörfer, auch ins Erdbebengebiet, das noch immer größtenteils in Trümmern liege.
„Gerade auf dem Land gibt es einen starken Wunsch nach Hilfe. Sie sind unglaublich dankbar, man wird dort fast hofiert“, hat Nicke erlebt. Aber auch die Perspektivlosigkeit der jungen Menschen auf den Dörfern. Den Druck aus den starken Nachbarmärkten China und Indien mit ihren Billigimporten. Und wie wahnsinnig weit weg die Entscheider außerhalb von Kathmandu zu sein scheinen.
Nicke will genau wie Corinna Prange an Bord bleiben bei „Manager ohne Grenzen“. „Ich bin total überzeugt von der Arbeit“, sagt er. „Ich wundere mich, dass das Ganze nicht viel größer ist. Die Wirtschaft hat doch so viel Einfluss überall auf der Welt. Warum gibt es nicht in jedem Land einen Business Hub?“ Er ist sicher, dass in seiner Generation jede Menge junge Führungskräfte nach Chancen für Engagement suchen und sich wie er fragen: „Wo kann ich tatsächlich etwas hinterlassen?“