Sie haben als Jan und Griet in dieser Session schon viele Auftritte absolviert. Wie fällt die erste Bilanz aus?
Karneval „Die kleinen, sozialen Auftritte werden uns besonders in Erinnerung bleiben“
Köln · Als Jan und Griet fahren Rüdiger und Silvia Prätzsch mit ihrem Reiterkorps Jan von Werth derzeit von Auftritt zu Auftritt. An Weiberfastnacht gibt es am Nachmittag mit dem Traditionspaar das Historische Spiel an der Servinstorburg.
Wir haben vorab mit den beiden gesprochen.
Silvia Prätzsch: Unser Gefühl ist nur schwer zu beschreiben. Wir fühlen uns wie auf Wolke 7, von unserem Korps getragen. Das hätten wir in unseren kühnsten Träumen nicht erwartet. Dabei sind unsere Auftritte oft komplett unterschiedlich - vom Gürzenich mit mehr als 1000 Menschen im Publikum bis zum Hospiz in Urbach mit vier Leuten. Bei den Gefühlen reicht die Spannweite vom herzlichen Lachen bis zu Tränen in den Augen. Bei uns werden die kleinen Auftritte besonders in Erinnerung bleiben, es ist einfach unbeschreiblich, wenn man als Traditionspaar Menschen, denen es gerade nicht so gut geht, eine Freude bereiten kann.
Rüdiger Prätzsch: Bei unserem Besuch im Hospiz gab es eine alte Dame, die mit uns gesungen, geschunkelt und fröhlich ihr Bier getrunken hat. Dabei ging es ihr am Vormittag noch so schlecht, dass man nicht wusste, ob sie diesen Tag überleben wird. Aber durch die Vorfreude auf unseren Besuch ist sie dann regelrecht aufgelebt. Ihr Sohn, der neben ihr saß, hat geweint. Im Moment sind wir sehr positiv unter Strom, da gibt es keinen freien Tag mehr. Aber wir versuchen trotzdem, jeden Moment ganz bewusst zu erleben. Wirklich verarbeiten können wir all das, was wir gerade erleben, wohl erst nach dem Ende der Session.
Wie lässt sich als das mit dem eigenen Beruf vereinbaren?
Rüdiger Prätzsch: Wir haben beide Berufe, in denen wir sehr viel im Homeoffice arbeiten können. Ich selbst muss gar nicht ins Büro, meine Frau nur zwei Mal in der Woche. Da sparen wir uns viel Zeit für die Fahrt zum Arbeitsplatz. Und wir haben zum Glück auch sehr großzügige Arbeitgeber, die unsere Aktivitäten als Jan und Griet voll unterstützen. Ich selbst arbeite als Key-Account-Manager bei Shell und habe einen Hamburger als Chef und auch viele Kunden im süddeutschen Raum. Die wissen, dass ich im Karneval unterwegs bin, und interessieren sich auch dafür. So kommt mein Chef jetzt auch extra zu einer Sitzung, bei der wir auftreten.
Silvia Prätzsch: Ich bin Bürosachbearbeiterin beim Brühler Turnverein, dem größten Sportverein im Rhein-Erft-Kreis. Dort kümmere ich mich um die Mitgliederverwaltung. Auch ich bekomme jetzt in der Karnevalszeit viel Unterstützung von meinen Kollegen, die zur Not auch für mich einspringen.
Sie konnten im Vorjahr ein besonderes Jubiläum in Ihrer Ehe feiern.
Rüdiger Prätzsch: Wir hatten am 1. Juni 2023 unseren 33. Hochzeitstag und sind nun als Jan und Griet in unserem 33. Ehejahr unterwegs. Das hat in Köln einen höheren Stellenwert als die Silberhochzeit.
Sie sind als Griet nun in einem reinen Männerkorps unterwegs. Welche Erfahrungen machen Sie jetzt damit in der Session?
Silvia Prätzsch: Für mich ist es eine große Ehre, in einem Männerkorps die Rolle der Griet in dem Traditionspaar zu übernehmen, das im Kölner Karneval direkt hinter dem Dreigestirn kommt. Das, was jetzt in der Session im Korps bei den Fahrten passiert, kannte ich bislang nur aus Erzählungen. Das Ganze nun hautnah mitzuerleben, ist ein tolles Gefühl. Die Jungs stehen voll hinter mir und tragen mich auf Händen.
Rüdiger Prätzsch: Als Jan und Griet kommt man sich fast wie ein Promi vor, obwohl man eigentlich gar keiner ist.
Welche Beziehung haben Sie zum Dreigestirn des Treuen Husars?
Rüdiger Prätzsch: Mit dem Treuen Husar sind wir als Jan von Werth vor allem durch die Reiterei sehr eng verbunden. Das Dreigestirn treffen wir jetzt in der Session fast jeden Tag. Ich kenne die Drei schon länger und wenn wir uns jetzt treffen, ist die Begrüßung immer sehr herzlich. Das ist ein tolles, absolut geerdetes Dreigestirn.
An Weiberfastnacht steht mittags wieder das Historische Spiel an der Severinstorburg an. Wie laufen die Proben dafür?
Silvia Prätzsch: Die sind schon weit vorgeschritten, wir proben schon mit den Statisten. Es gibt für uns viel Text zu lernen. Das Historische Spiel ist ja für uns beide etwas komplett Neues. Aber es klappt gut und wir freuen uns sehr auf den großen Auftritt. Es ist schön und wichtig, dass so die Legende um den Reitergeneral Jan von Werth und die Marktfrau Griet in Erinnerung bleibt.
Sie werden das Ganze vom Pferd aus meistern.
Rüdiger Prätzsch: Ich war als Reiter schon beim anschließenden Umzug durch die Südstadt dabei und weiß, dass mein Pferd den Auftritt jetzt an der Severinstorburg gut meistern wird. Natürlich liegt es nicht im Naturell eines Pferdes, vor einer großen Menschenmenge aufzutreten. Aber unsere Pferde sind daran gewöhnt und gehen sehr gut damit um. Da habe ich gar keine Bedenken. Ich bin bei der dritten Schwadron von Jan von Werth, den Reitern. Wir sitzen über Jahr jede Woche mindestens zweimal auf dem Pferd und sind so sehr routiniert im Umgang mit den Tieren. Ich reite auch privat sehr gerne und habe, um Mitglied bei Jan von Werth zu werden, mit meiner Frau extra das Reiten gelernt. Für mich war es immer ein Traum, den Rosenmontagszug vom Pferd aus zu erleben.
Wie sind Sie zum Reiterkorps gekommen?
Rüdiger Prätzsch: Ich war schon immer sehr gerne im Karneval unterwegs. Wenn ich mir die Züge angeschaut habe, bekam ich immer eine Gänsehaut, wenn die Aktiven von Jan von Werth an der Reihe waren. Da war schnell klar, wenn ich mich im organisierten Karneval engagiere, dann nur in diesem Reiterkorps. Nun bin ich seit 2020 dabei.
Wie sieht aktuell Ihr Alltag aus?
Silvia Prätzsch: Aktuell gibt es für uns nur den Beruf und die Auftritte als Jan und Griet. Da kann man nicht groß Freundschaften pflegen und mein Mann verzichtet auf lange Dienstreisen. Auch der eigene Haushalt leidet im Moment leider ein wenig.