Bühne Divertissementchen: Cäcilia Wolkenburg mit Maske auf der Bühne

Köln · Wer vor gut 200 Jahren in Köln unterwegs war, durfte keine empfindliche Nase haben – es stank gewaltig. Daran änderte auch das jüngst erfundene Eau de Cologne nicht viel. Müll und Unrat lagen auf den Straßen, wo die Kölner auch oft ihre kleinen und größeren „Geschäfte“ erledigten.

Ferdinand Franz Wallraf (Mitte) will seine Heimatstadt Köln verändern.

Foto: step/Eppinger

So wurden diese zu einem echten Paradies für Ratten und anderes Ungeziefer. Das stank auch den Franzosen gewaltig, als sie die Domstadt besetzten. Mit klaren und strengen Regeln wollten sie das schleunigst ändern. Aber waren es wirklich die französischen Nachbarn, die aus Köln eine saubere und schöne Stadt gemacht haben? Die Mitglieder der Cäcilia Wolkenburg haben da so ihre Zweifel, wie das neue Zillche „Napoleon en Kölle“ zeigt, das am Samstagabend im Deutzer Staatenhaus seine Premiere feierte.

Vieles war anders an diesem ersten Wochenende des neuen Divertissementchens, das nach der digitalen Version im Vorjahr endlich wieder mit Publikum stattfinden konnte. Allerdings waren die Kapazitäten im großen Saal begrenzt und neben der 2Gplus-Regel gilt im Interim der Kölner Oper auch die Maskenpflicht am Platz. Doch nicht nur da wurde das Gesicht bedeckt – auch die rund 100 Darsteller, Sänger und Tänzer trugen am Abend der Vorpremiere am Freitagabend eine Maske. „Wir mussten uns entscheiden: Spielen wir mit Maske oder riskieren wir, dass Darsteller aufgrund von Quarantäne oder Isolation ausfallen oder dass im schlimmsten Fall sogar Vorstellungen ausfallen, weil zu viele Darsteller betroffen sind? Die Entscheidung war eindeutig – wir werden unser Publikum nicht enttäuschen“, sagte der Baas der Cäcilia Wolkenburg, Jürgen Nimptsch.

Ein neuer Blick auf
die Franzosenzeit in Köln

Im neuen Stück spielt er den Gelehrten, Priester und Kunstsammler Ferdinand Franz Wallraf – eine Rolle, die dem früheren Bonner Oberbürgermeister wie auf den Leib geschneidert ist. Wallraf bekommt als ehemaliger Rektor der vor kurzem geschlossenen Universität vom Bürgermeister Johann Jakob von Wittgenstein und den anderen Honoratioren der Stadt den Auftrag, Köln fit für den baldigen Besuch von Kaiser Napoleon zu machen. Der kluge Mann erkennt in dieser Aufgabe schnell die Chance, in seinem Köln grundlegend etwas zu verändern und geht engagiert ans Werk, das weit mehr als nur saubere Straßen umfassen wird.

In einer Gaststätte treffen sich die reformwilligen Kölner, um heimlich ihre großen Pläne zu schmieden. Nur allzu bewusst ist es den Männern um Wallraf, dass sie alleine zu schwach sind, um die Macht des Klerus zu brechen. Das kann nur mit der Unterstützung der Franzosen und ihrem Kaiser gelingen. Dumm nur, dass  die kaiserliche Nase des kleinen, großen Mannes dem Gestank in Köln nicht gewachsen ist, als dieser seine Kutsche verlässt. So schnell wie er gekommen war, flieht der Franzose wieder aus der Stadt am Rhein. Wallraf und seine Verbündeten lässt er verzweifelt zurück. Doch geschlagen gibt sich die Gruppe noch lange nicht und inszeniert den großen Besuch des Kaisers mit einem Schiff, bei dem man einfach aus den eigenen Reihen den Napoleon stellt. So kommt die allgemeine Gewerbefreiheit genauso wie das metrische System nach Köln und der Klerus hat in Sachen Macht schon bald das Nachsehen.

So sind es die Kölner selbst und nicht die französische Besatzungsmacht, die die Domstadt fit für die Zukunft machen. Und trotzdem kommen sich die kölschen Bürger und die Franzosen näher. Denn es gibt ein Liebespaar, das inklusive der Balkonszene Shakespeares „Romeo und Julia“ an den Rhein bringt. Es sind der französische Soldat Mathieu und Nieß, die Tochter von Gerda Schmitz, die die Franzosen hasst. Schwierig wird deren große Liebe auch durch die Tatsache, dass Döres, der Neffe des Bürgermeisters, Nieß gerne zur Frau nehmen würde. Dazu kommen die aufkommenden Feindseligkeiten zwischen den Kölnern und ihren Besatzern, die das Paar immer wieder auseinanderbringen. Doch anders als beim großen Shakespeare finden in Köln Romeo und Julia zusammen und überwinden mit ihrer großen Liebe sämtliche Ressentiments zwischen den Nationen.

Das neue Zillche begeistert in diesem Jahr wieder mit seiner Geschichte und der Opulenz seiner Ausstattung inklusive der Massenszenen und der gelungenen Auftritte des Balletts. Wie gewohnt wird beim von Lajos Wenzel in Szene gesetzten Stück mit kölschem Witz und Charme die bekannte Geschichte der Franzosenzeit in der Domstadt umgekrempelt und neu erzählt. Musikalisch spannt Thomas Guthoff gekonnt den Bogen zwischen Klassik mit Bach und Rossini über Schlager und Pop bis zum alten und neuen kölschen Liedgut von den Bläck Fööss bis zu Miljö und Kasalla. Dass auch auf der Bühne bis auf Weiteres zum Schutz des Ensembles Maske getragen wird, tut dem Reiz des neuen Divertissementchen, das noch bis zum 1. März im Staatenhaus zu sehen ist, keinen Abbruch. Im WDR-Fernsehen wird es am 26. Februar ab 11 Uhr gezeigt.