Museum Ludwig Installation zeigt jüdisches Leben in Deutschland

Köln · Aus Anlass des Festjahres „2021. 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ hat das Museum Ludwig den Künstler Boaz Kaizman eingeladen, eine neue Arbeit zu entwickeln. Die Videoinstallation „Grünanlage“ zeigt vom 3. September bis 9. Januar 2022 in sieben, über zwei Wandflächen verteilten großen Projektionen 16 neue Videos als Gesamtinstallation.

Boaz Kaizman ist in seiner Installation in alltäglichen Situationen, wie hier beim Joggen, zu sehen.

Foto: Boaz Kaizman

Sie wird im großen Ausstellungssaal des Museum Ludwig auf einer Fläche von rund 200 Quadratmetern gezeigt.

Ausgewählte Passagen einzelner Videos sind im Ausstellungsraum hörbar; zugleich haben die Besucher die Möglichkeit, die Videos mit Hilfe von Kopfhörern für sich wahrzunehmen. Landschaftsaufnahmen bilden ein fortlaufendes visuelles Element. Bei den meisten handelt es sich um Grünanlagen in Köln, also um Orte funktioneller und urbanisierter Natur; sie bleiben daher unbestimmt zwischen Stadt- und Naturraum.

In seiner Installation geht Kaizman von der eigenen Person aus. Er ist bei alltäglichen Handlungen zu sehen – auf dem Weg ins Atelier, bei der Zubereitung von Mahlzeiten oder beim Joggen im Park. Darüber hinaus reflektiert er den künstlerischen Prozess, indem er sein bisheriges Werk unter der thematischen Perspektive jüdischen Lebens in Geschichte und Gegenwart rekapituliert und als kurze Zitate in die Installation einbezieht. So wird jüdisches Leben in Deutschland auf vermittelte Weise zum selbstverständlichen Zentrum der neuen Arbeit von Kaizman ohne ihr ausdrückliches Thema zu sein. Kaizman fragt mit seiner Arbeit nach der Möglichkeit von Erinnerung, nach der Gegenwärtigkeit von Geschichte und in welcher Form sie sich in Lebensgeschichten einschreibt.

In den einzelnen Videos tauchen so unterschiedliche Personen wie die Philosophin Hannah Arendt, der Komponist Yosef Tal, der Kunsthistoriker David Galloway oder der Schauspieler Dov Glickman auf. Musikstücke mit orientalischer und sardischer Anmutung, ein romantisches Volkslied und Klezmer-Musik sind Teil der Arbeit.

Ein weiteres Stück, das im Video eingespielt wird, entpuppt sich als ein Gedicht von Kaizman. Der Künstler transformierte es durch ein Text-to-Speech-Programm, das in die MIDI-Software (die Steuerbefehle in Klänge umwandelt) übertragen wurde, in Musik. Dabei ist die digitale Transformation für den Künstler kein Selbstzweck. Er zeigt damit vielmehr, dass die Sprache die Grundlage aller Künste ist – eingeschlossen der Musik und der bildenden Kunst.

Der Schwerpunkt der Installation auf Sprache und Literatur wird durch eine Kooperation mit der Kölner Bibliothek zur Geschichte des deutschen Judentums „Germania Judaica“ erweitert. Auf Einladung von Boaz Kaizman hat der Literatur- und Kulturwissenschaftler Andreas Kilcher 1700 Bücher deutschsprachiger jüdischer Literatur ausgewählt. Diese finden als eigenständiges Element der Ausstellung auf drei Regalen der Bibliothek, ergänzt um Tische und Stühle, einen Platz gegenüber der Videoinstallation. Die größte europäische Spezialbibliothek zur Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums erhält auf diese Weise für vier Monate eine Außenstelle als Präsenzbibliothek im Museum Ludwig.

Kaizman verweist mit seiner Hommage an die Bibliothek auf die jüdische Kultur als eine der Schrift und des Buches, in deren Tradition er sich mit seinem bildnerischen, literarischen und musikalischen Werk sieht.