Innerstädtischer Angstraum Köln fürchtet nach Bluttat um das „Wunder vom Ebertplatz“

Köln · Der Kölner Ebertplatz galt als Paradebeispiel für die gelungene Rückeroberung eines innerstädtischen Angstraums. Doch jetzt lässt eine neue Gewalttat Zweifel am „Wunder vom Ebertplatz“ aufkommen.

Foto: dpa/Oliver Berg

Erst galt er als Angstraum, dann als Großstadt-Oase: Der Ebertplatz in der Innenstadt von Köln hat in den vergangenen Jahren überregionale Bekanntheit erlangt. Hier sollte beispielhaft gelungen sein, was viele Städte anstreben: die Umwandlung eines von Kriminalität heimgesuchten Brennpunkts in einen Ort mit Aufenthaltsqualität. Doch nun der Rückschlag: Am Sonntagmorgen wurde auf dem Platz ein 25 Jahre alter Somalier aus dem Raum Paderborn erstochen.

Am Montag ermittelte die Polizei einen anderen, ebenfalls 25 Jahre alten Somalier aus dem Raum Düren als Tatverdächtigen. Er soll seinen Landsmann in den Hals gestochen haben - das Opfer verblutete. Der mutmaßliche Täter wurde kurz darauf an einer benachbarten S-Bahnhaltestelle festgenommen. Neun andere Männer, die nach der Tat ebenfalls festgenommen worden waren, kamen wieder frei, weil sie den Erkenntnissen zufolge nicht beteiligt waren. Hintergrund der Tat soll ein Streit um Drogen gewesen sein. Nach wie vor wird der Platz von rivalisierenden afrikanischen Dealerbanden beansprucht. Das „Wunder vom Ebertplatz“ - war es nur ein schöner Traum?

Der Tatort am Montag: Ein großer Brunnen sprudelt, kleine Kinder laufen durch das Wasser. Benno Zimmermann (62) füllt eine Gießkanne auf: Der Anwohner hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Sträucher und Bäume des Platzes mit Wasser zu versorgen. Daneben ein improvisiertes „Forschungsbüro Ebertplatz“: Hier erkunden Kinder den früher als Beton-Schlund verrufenen Platz. Das Ferienprogramm läuft schon sechs Wochen lang, Probleme gab es kaum: „Es kam hin und wieder mal vor, dass einige alkoholisierte Leute die Kinder angesprochen haben“, erzählt Mitorganisator Georg Lonscher. „Aber da sind wir Erwachsene sofort dazwischen gegangen.“

Auf der anderen Seite des Platzes sitzt die Kenianerin Mary. Sie ist oft hier, auch abends, und sie erlebt den Ort anders. „Es ist sehr viel Gewalt hier“, sagt sie. „Hier passiert viel.“ Und dann fügt sie nachdenklich hinzu: „Der Junge ist tot.“ Die 76 Jahre alte gebürtige Kölnerin Ingrid, die den Platz schnellen Schrittes überquert, geht nach Einbruch der Dunkelheit schon lange nicht mehr vor die Tür. Ist sie für ein härteres Durchgreifen? Ja schon, sagt sie, aber dann fügt sie schnell hinzu: „Ich möchte aber auch keine Stadt haben, in der man wieder die Stiefel knallen hört auf der Straße.“

Benno Zimmermann, der Mann mit der Gießkanne, bleibt dabei, dass sich der Platz in den letzten Jahren gut entwickelt habe. „Dass hier wieder Kinder spielen, belebt den ganzen Platz und trägt wesentlich dazu bei, dass sich hier nicht nur Obdachlose und Drogenabhängige aufhalten.“ Der Vorfall vom Wochenende sei natürlich schlimm, allerdings dürfe man das nicht isoliert betrachten: „Die Gefahr ist bei großen innerstädtischen Plätzen immer, dass es zu großen Menschenaufläufen kommt und dass sich dann Aggression entlädt.“

Der Ebertplatz - so scheint deutlich geworden - hat zwei Gesichter. Ein freundliches und ein bedrohliches.

(dpa)