Lesestoff Locke, der Dorfpunk, und das große Schützenfest
Köln · Buchtipp Der Kölner Autor Jochen Enste geht einem Stück Brauchtum mit einem Schwank auf die Spur.
In der Großstadt Köln sind die Schützen und ihre Feste ganz wörtlich gemeint eine Randerscheinung – gefeiert wird dort das Sommerbrauchtum meist in den ländlichen Veedeln am Stadtrand. Ganz anders ist dies im Sauerland, wo die Schützen in vielen Gemeinden und Städten einen ganz zentralen und wichtigen Teil des Lebens bestimmen. Autor Jochen Enste kennt beides – 1973 im Sauerland geboren und dort aufgewachsen zog er Mitte der 90er aus dem Kurkölnischen in die Domstadt. In seinem neuen Buch „Glaube, Sitte, Heimat – ein Schwank vom Schützenfest“ setzt er sich jetzt mit dem in weiten Teilen NRWs sehr beliebten Brauchtum auf seine ganz eigene Art und Weise auseinander.
Und natürlich treffen auch hier Menschen aus der Großstadt auf die Leute aus der ländlichen Region. Die Kölner sind durch den schwulen Fernsehmoderator Konrad Feller und seinen Kameramann Billy Winter vertreten – nach einer erfolgreichen Geschichte über Brustvergrößerungen hat sie nun ihr Kölner Privatsender auf die Schützen im beschaulichen Sauerlanddorf Kappeln angesetzt – große Freude kommt da beim ehrgeizigen Duo nicht gerade auf.
Romeo und Julia beim sauerländischen Schützenwesen
In Kappeln selbst steht das alljährliche Schützenfest auf dem Programm und da gibt es im Vorfeld mächtig Ärger. Dazu gehört, dass sich die adlige Unternehmertochter Karla von Klarbach in den Kopf gesetzt hat, Schützenkönigin zu werden. Da muss sie sich nur noch den dazu passenden neuen König der Jungschützen an Land ziehen. Das stärkt den Ehrgeiz des Nachwuchses – denn Barbie, wie Klara im Dorf gerne genannt wird, macht schon etwas her.
Im Visier hat Klara Martin, den Sohn des Dorfpolizisten und Ordnungsfanatikers Horst Vorwall, eine der wichtigen Persönlichkeiten bei den Kappelner Schützen. Und der ist praktischerweise der Erzfeind ihres Vaters Karl von Klarbach. Beide machen sich das Leben so schwer, wie es eben nur möglich ist. Da schaut alles nach einer neuen Romeo und Julia-Romanze mitten im sauerländischen Schützenwesen aus.
Doch da gibt es noch die junge Mechanikerin Bobby, die sich sehr vielen Jahren in ihren besten Kumpel Martin verschossen hat. Leider weiß der Frauenheld noch nichts von seinem Glück, schließlich hat er ja gerade eine andere im Visier und für die tritt er sogar den Kappelner Schützen bei. Letzte Hoffnung für Bobby ist jetzt nur noch Dorfpunk Locke – auch er soll den Schützen beitreten und dafür sorgen, dass Martin und Klara nicht zusammenkommen. Doch eigentlich hatte Locke seine alljährlich Flucht vor der Tradition an die südholländische Küste schon fest eingeplant. Jetzt muss er die Lederjacke gegen das Schützensakko eintauschen.
Für Martin und Locke beginnt mit dem traditionsreichen Schützenfest eine Reise in eine so unbekannte wie extreme Welt, die sich von allen Beteiligten eigentlich nur mit reichlich Pils ertragen lässt. Und damit nicht genug – denn es gibt Streit mit den Schützen vom Nachbardorf Stoppeln. Den versucht man zu entschärfen, indem man die nachbarliche Musikkapelle einlädt. Doch die spielt immer so schlecht, dass es sofort zu regnen beginnt, sobald der erste Ton erklungen ist. Außerdem ist dem noch amtierenden Jungschützenkönig die Königin abhandengekommen – Ersatz sucht er sich ausgerechnet im örtlichen Bordell – sehr zur Freude der Bürgerschützen.
Für das Kölner Fernsehteam birgt das ganz anders, als erwartet, reichlich Zündstoff und damit eine erhofft gute Quote für den geplanten Beitrag. Und die Dorfbewohner tun alles, um nach alter Obelix und Asterix-Manier ihre Gemeinde zum wilden gallischen Dörfchen zu machen – eine Massenschlägerei zum Finale inklusive. Ob dabei die große Liebe auf der Strecke bleibt, muss sich erst noch zeigen.
Jochen Enste: Glaube, Sitte, Heimat – ein Schwank vom Schützenfest, Woll-Verlag, 360 Seiten, 14,90 Euro