Beim neuen Album gibt es viele Veränderungen?
Interview „Man muss einfach Haltung zeigen“
Köln · Bereits im Dezember ist die erste Single „Nie wieder“ erschienen. Ein Statement der Singer/Songwriterin Sarah Lesch gegen den Zeitgeist und gleichzeitig ihr wohl persönlichster Song auf dem neuen Album „Gute Nachrichten“, das gerade veröffentlicht wurde.
Die Lyrics von „Nie Wieder“ sind eine eindringliche Auseinandersetzung mit verschiedenen gesellschaftlichen Themen - darunter Vorurteile, Rassismus und die Gefahr des Vergessens. Mit den neuen Songs geht Lesch bald auf Tour und ist am 1. Juni im Club Bahnhof Ehrenfeld zu Gast. Wir haben vorab mit Ihr gesprochen.
Sarah Lesch: Wir haben einen Schritt nach vorne gemacht und uns weiterentwickelt. Dazu gehört auch die tolle neu formierte Band, mit der ich auch auf Tour gehen werde. Musikalisch gesehen sind die neuen Songs deutlich rockiger und punkiger geworden. Das war ein langer Wunsch von mir, den wir jetzt endlich umsetzen konnten, und ein Projekt, das mir sehr viel Spaß macht.
Wie finden Sie die Themen für Ihre Songs wie bei „Nie Wieder“?
Lesch: Den Song „Nie Wieder“ habe ich schon 2016 geschrieben. Damals war ich extrem wütend, weil Rechte einen Songtext von mir okkupiert haben. Der Faschismus versteckt sich noch immer in vielen Bereichen und er ist deutlich subtiler geworden. Schon Tucholsky hat vor dem Beginn des Dritten Reichs bereits vor den Nazis gewarnt, aber da war es schon zu spät. Insofern ist das leider ein zeitloses Thema, das ich nun wieder aufgenommen habe. Dabei ist der Text im aktuellen Song zwar kürzer geworden, aber die Botschaft ist unverändert. Man muss hier einfach Haltung zeigen.
Sie leben offen als non-binäre und queere Person. Welche Erfahrung machen Sie mit den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen?
Lesch: Ich merke das im Alltag sehr oft, dass der Respekt fehlt und unsere Gesellschaft immer mehr verroht und intoleranter wird. Das fängt schon bei Diskussionen um die Beibehaltung des binären Geschlechtersystems an, bei dem die Leute krasse Haltungen zeigen, die auch ins rechte Lager gehen. Auch beim Pronomen „Dey“, das gerade auch der Titel eines aktuellen Songs von mir ist, waren die Reaktionen mit einer so krassen Gewaltwelle verbunden, wie ich sie nie erwartet hätte. Dabei darf sich doch eine Sprache weiterentwickeln und sich den gesellschaftlichen Begebenheiten anpassen. Und als Liedermacherin darf ich selbst entscheiden, wie ich Sprache nutze und einsetze. Dabei liebe ich meine Muttersprache, die so viele Worte für ein Gefühl bereithält.
Wie entstehen die Songs?
Lesch: Die Texte entstehen oft im Vorbeigehen. Ich schreibe jeden Tag und tippe alles in mein Handy, was mir gerade einfällt und was mich gerade bewegt. Aus diesen Texten und Gedanken kann ich dann schöpfen, wenn ich die Songs für ein neues Album schreibe. Ich möchte Geschichten erzählen und mit meinen Songs auch Worte wie „Dey“ in der Sprache etablieren. Beim aktuellen Album habe ich eine neue Herangehensweise gewählt. Ich habe es so geschrieben, wie wenn mein Name komplett unbekannt wäre oder ich ein Pseudonym gewählt hätte. Aus dieser Idee ist dann das Punkalbum geworden, das ich schon immer machen wollte und für das ich als Musikerin quasi noch einmal ganz neu angefangen habe.
Was erwartet die Fans beim Kölner Konzert Anfang Juni?
Lesch: Das wird ein punkiges und cooles Konzert. Nach vier Jahren Pause haben wir alle so richtig Lust, wieder auf der Bühne zu stehen. Es wird zwar auch zwei oder drei akustische Gitarrenstücke geben, die meisten Songs laden aber dazu ein, aufzustehen und zu tanzen. Jetzt ist die Zeit gekommen, in der man nach der Pandemie sich wieder nahekommen und alle Gefühle rausschwitzen kann.
Welche Beziehung haben Sie zu Köln?
Lesch: Das letzte Konzert war hier auf dem Heumarkt bei einer DGB-Kundgebung. Ich mag Köln sehr gerne, auch weil dort die Leute sehr herzlich und offen sind. Und mein Sohn ist großer FC-Fan und ist oft mit Freunden in Köln im Stadion. Er überlegt schon, ob er selbst nach Köln ziehen soll. Auch die Konzerte sind in Köln immer besonders, da herrscht immer Ausnahmezustand.