Kultur „Theater sind Schutzräume und keine Infektionsherde“
Köln · Binnen von 13 Tagen im Oktober musste die Kölner Kulturszene gleich mehrere Corona-Verordnungen in den Theatern umsetzen. Zunächst kam die Maskenpflicht am Platz, dann die maximale Auslastung der Zuschauerkapazitäten von 20 Prozent und die Wiedereinführung eines Mindestabstandes von 1,5 Metern zwischen den Besuchern.
„Das ist, wie wenn Schildbürger über Köln hergefallen wären. Man weiß am Tag nicht, unter welchen Bedingungen am Abend gespielt werden kann. Das ist besonders bitter, denn die Zeit zwischen Oktober und April ist unsere Hauptspielzeit. Da müssen wir so viel erwirtschaften, dass wir über den Sommer kommen“, sagt Torsten Schlosser, Künstler und Spielleiter des Atelier-Theaters.
Er fordert wie andere Theaterkollegen, dass man in Köln wieder zur Schutzverordnung zurückkehrt, die noch vor dem 2. Oktober gegolten hat und auf die die jeweiligen Schutzkonzepte abgestimmt waren. Dazu haben sich jetzt in der Stadt Theater wie das Gloria, das Artheater, das BüZe-Ehrenfeld, das Düsseldorfer Kom(m)ödchen, die Stunksitzung, das Odeon-Kino, das Senftöpfchen, das Theater am Dom, das Theater der Keller und die Volksbühne zusammengeschlossen. Unterstützung gibt es von Künstlern wie Jürgen Becker, Wilfried Schmickler, Gerd Köster, Winni Rau, Robert Griess und Fatih Cevikkollu.
Ein Finanzplan soll den
kleinen Theatern schnell helfen
Zu den Forderungen zählen, „dass Politik und Verwaltung unverzüglich eine gewissenhafte Überprüfung der neuen Anordnungen vornehmen und danach die unakzeptablen Punkte zurücknehmen soll, damit Kultur und die damit verbundene Arbeit in Köln eine Zukunft haben.“ Kabarettist Wilfried Schmickler befürchtet, dass es einen sehr harten Lockdown geben wird, bei dem die Leute nicht mehr vor die Tür und damit auch nicht ins Theater dürfen. „Dafür erwarte ich von Stadt und Land jetzt einen Finanzplan, der die kleinen Theater bis ins Frühjahr finanziert. Wir brauchen eine Garantie der Stadt, dass die kleinen Theater am Leben gehalten werden. Und die OB soll beweisen, dass sie auf unsere Seite ist. Es wäre wichtig, dass sie bei Treffen wie heute vor Ort ist. Außerdem gehört ein Vertreter aus der Kulturszene in den Krisenstab.“
Beim Atelier-Theater wäre jetzt im Oktober eine Auslastung von 80 bis 100 Prozent auch durch das Comedy Festival üblich. Das würde pro Vorstellung 60 bis 70 Zuschauer bedeuten. Aktuell gibt es aber viele Vorstellungen, zu denen gerade mal 10 bis 15 Besucher kommen. „Uns wird de facto verboten, wirtschaftlich zu agieren“, ärgert sich Schlosser. Auch im Artheater in Ehrenfeld sieht schlecht aus: „Der Club ist derzeit komplett dicht und im Theaterbereich haben wir 70 Prozent Einnahmeverluste. Wir halten das Haus trotzdem offen, weil das Haus ein Kulturraum ist, für den wir kämpfen müssen. Außerdem gibt es das Bedürfnis der Künstler aufzutreten und wir geben ihnen das Forum dazu. Hätten wir geschlossen, würden wir zudem unsere komplette Infrastruktur verlieren. Dann hätten wir keine Mitarbeiter mehr. Ein weiterer Grund ist, dass unser Publikum Kultur braucht und möchte“, sagt Geschäftsführer Bernd Rehse.
Theater seien sehr bewusst und sorgfältig mit den Corona-Auflagen umgegangen: „Deshalb sind Theater auch Schutzräume für das gesellschaftliche Zusammenleben und keine Hotspots. Sie helfen durch die Rückverfolgung, dass sich Corona nicht weiterverbreitet. So eine Institution gibt man doch nicht leicht fertig aus der Hand. Schließt man die Theater ziehen sich die Menschen nach Hause zurück, wo man keine Kontrolle über Infektionen mehr hat. Das ist ein leichtfertiger und fahrlässiger Kontrollverlust. Aus dem gleichen Grund wurde in Berlin vom Gericht auch die Sperrstunde gekippt.“ Es habe in Köln und auch in anderen Städten keinen einzigen Hotspot gegeben, der auf ein Theater, Kino oder ähnliches Kulturevent zurückzuführen ist, heißt es in einem Schreiben der Kölner Kulturszene.
Auch für die Künstler stellt die aktuelle Situation eine große Bedrohung dar: „Ich habe mir schon von meiner Frau Geld geliehen, um einkaufen zu können. Es ist ein bedrohliches Szenario, plötzlich abhängig zu sein. Ich habe ein paar Auftritte vor unfassbar wenig Publikum gespielt. Aber die Leute waren froh und wir hatten ganz besondere Abende“, sagt Kabarettist Martin Zingsheim. Wie er hat auch Kollege Jürgen Becker in Autokinos Auftritte gehabt: „Die Leute waren trotzdem glücklich, sie durften das Fenster ein bisschen auflassen. Das ist, wie wenn man zum Lachen in den Keller geht und die Tür dort ein bisschen auflässt. Es gibt in den Theatern viele tolle Konzepte. Theaterbesucher sind auch nicht die Leute, die sich hinterher besoffen in den Armen liegen. Die meisten kennen sich nicht und halten Abstand. Ein Theater ist sicher. Was Theater jetzt brauchen, sind zuverlässige Zahlen zu den Zuschauern und wo das nicht umsetzbar ist, muss die Stadt Räume kostenlos zur Verfügung stellen. Aber die nehmen knallhart die volle Miete und man zahlt drauf. Es gibt keine Unterstützung für die Kultur.“