Karneval Wenn Putin mit der Welt spielt
Köln · Noch herrscht in der Wagenhalle des Festkomitees am Maarweg eine große Betriebsamkeit. Da werden die letzten Pinselstriche erledigt und auch der eine oder andere FC-Spieler muss noch seinen Platz auf dem dazugehörigen Persiflagewagen finden.
Insgesamt 22 dieser Wagen werden sich an Rosenmontag beim großen Fest im Stadion auf die 300 Meter lange Strecke begeben und dann später ihren Platz an verschiedenen Orten entlang des eigentlichen Zugweges in der Innenstadt finden. Dort können sie die Jecken dann 24 Stunden bewundern.
Im Stadion sind auf den Tribünen 8800 Zuschauer erlaubt – der Vorverkauf für die Tickets hat gerade begonnen. Auf den Persiflage- und Festwagen sowie bei den Fuß-, Tanz- und Reitergruppen gehen 4700 Teilnehmer am Montagmorgen an den Start. Bei Zugleiter Holger Kirsch ist Einsatz gefragt. Er wird den Zug auf der Nordtribüne eröffnen und dann zu seinem Wagen sprinten, der den Zoch anführt. Das Dreigestirn hat es da etwas gemütlicher: es kann sich den gesamten Zug in aller Ruhe von der Nordtribüne anschauen und wird dann mit den eigenen Wagen am Ende des Zuges an den Zuschauern vorbeifahren.
Am Dienstagvormittag hat der Zugleiter die Persiflagewagen der Öffentlichkeit präsentiert. Dort findet sich auch der russische Präsident Putin wieder, der sich ohne Rücksicht auf Verluste nach dem Motto „Die gute alte Zeit“ seine neue Sowjetunion zusammen dengelt. Als blutrünstiger Vampir geht Diktator Lukaschenko an den Start, der brutal Proteste niederknüppelt und der ein elendes Flüchtlingsdrama an seiner Grenze provoziert. Der Zoch erinnert auch an Dauerbrenner des Weltgeschehens wie die große Hungersnot in der Dritten Welt oder an die Klimakrise, bei der sich Mutter Erde mit einem Fußtritt ihrer Menschenkinder entledigt. Unter dem Titel „Goldene Zeiten“ blicken die Wagenbauer auf die Fußball-WM in Katar, wo ein Totenkopf den Pokal der Weltmeister krönt. Da sind die Biontech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin deutlich sympathischer – sie werden mit ihrem schnellen Impfstoff gegen Corona zu Superhelden.
Auch innenpolitische Themen rücken in den Fokus: So ist der bayerische Ministerpräsident Söder als Keulen schwingender Steinzeitmensch zu sehen, der die CDU zerstört und der ehemaligen CDU-Chef Laschet erschlagen hat. So sieht im Blick der Jecken die „Zeit der Zärtlichkeit“ zwischen Schwesterparteien aus. Von der großen Kanzlerin Angela Merkel ist bloß noch der rote Blazer und die Raute übrig geblieben, während von Neukanzler Scholz immer noch nichts zu sehen ist. Er häuft mit seiner Tatenlosigkeit nur „Fehlzeiten“ an. Und seine Ampelkoalition chillt lieber mit einem Joint auf dem bequemen Hanfbett. Dagegen hat es mit Friedrich Merz ein Altgedienter im dritten Anlauf endlich auf den Pilotensitz der CDU-Zeitmaschine geschafft. Und die einfachen Bürger? Sie hoffen, dass nach den vielen Milliardären auch die Müllers und Schmidts bei den Reisen in den Weltraum bald an der Reihe sind, dann geht es endlich nach „El Aren'All“.
Beim Blick nach Köln darf natürlich OB Henriette Reker nicht fehlen, die als kölsche Muezzin vom Minarett zum Gebet aufruft. Rund um den Dom herrscht dagegen dichter Nebel, in dem auch die Visitatoren des Papstes keine Erkenntnisse beim Missbrauchsskandal im Erzbistum finden können. Die Kritzelköpp sprechen da von „Schweinepriestern vor dem Herrn“. Die Verwaltung ist mit ihrer Langsamkeit bei Bauanträgen als Domschnecke unterwegs. Und wenn sich der FC mit dem Großmarkt in Marsdorf ein Gelände teilen müssen, kommt am Rande der Großstadt ein ganz neuer Marktplatz zustande – mit Bananenflanken, Gurkenspielen und Kopf(ball)salat. Und bei den Impfgegnern, die bis zum letzten Drücker mit dem rettenden Piks warten, geht der Schuss nach hinten los.
Der WDR überträgt den Zoch ab 9.45 Uhr, in der ARD ist er ab 14.10 Uhr zu sehen.