Serie Politische Nächte und großer Sport
Köln · So mancher Kölner hat weltweit Berühmtheit erlangt. Dazu zählen Politiker genauso wie Sportler oder Unternehmer. Heute blicken wir in der Serie auf einen großen Kunstmäzen, einen bekannten Erfinder, einen standhaften Radprofi, eine engagierte Theologin und einen umtriebigen SPD-Mann mit einem berühmten Spitznamen.
Alexander Schnütgen: Viele Kölner Museen tragen den Namen ihres Stifter und Mäzene. Das gilt auch für das Museum Schnütgen und seine umfangreiche Sammlung mittelalterlicher Kunst. Seinen Namen hat das Haus unweit des Neumarkts vom Theologen, Priester und Kunstsammler Alexander Schnütgen. Er wurde 1843 in Steele an der Ruhr als Sohn einer Kaufmannsfamilie geboren. Nach dem Studium der Theologie erhielt er 1866 in der Kölner Minoritenkirche seine Priesterweihe. 1887 wurde er von der preußischen Regierung zum Domherren ernannt. Schon als junger Domvikar erwachte bei Schnütgen das Interesse für die Kunst, als er bei einer Visitation in einer verstaubten Sakristei vernachlässigte Kunstwerke fand. Er begab sich im Anschluss im Erzstift Köln auf die Suche nach weiteren Kunstwerken, die er vor dem Verfall rettete. Vieles erwarb er auch aus dem Antiquitätenhandel oder auch direkt an der Haustür. So entstand eine Sammlung, die 6500 Objekte umfasste. Zunächst wollte er diese dem Erzbistum vermachen, das allerdings nicht bereit war, dafür ein eigenes Museum zu errichten. So bekam die Stadt 1906 das große Erbe des Sammlers. Die Sammlung Schnütgen befand sich zunächst in einem extra dafür errichteten Anbau an das Kunstgewerbemuseum am Hansaring, wo diese 1910 eröffnet wurde. 1932 zog das Museum Schnütgen ins Heribertkloster nach Deutz. Seit 1956 ist das Kunstmuseum in der ehemaligen romanischen Kirche St. Cäcilien untergebracht, die seit 2010 Teil des Kulturquartiers ist. Damit ging eine deutliche Erweiterung der Ausstellungsfläche einher.
Nikolaus Otto: Noch heute sind seine Verbrennungsmotoren im Einsatz. Erfunden hat diese von Nikolaus Otto. Der heutige Begriff Ottomotor bezieht sich aber nicht direkt auf diese Erfindung, sondern wurde 1936 als Ehrung für den Kölner vom VDI für alle Hubkolbenmotoren eingeführt. Otto war der Sohn einer Land- und Gastwirtsfamilie im Taunus. Nach seiner Lehre als Kaufmann kam Otto als Handlungsgehilfe nach Köln und lernte dort im Karneval seine spätere Frau Anna Gossi kennen. 1862 begann er als Autodidakt erste Experimente mit Verbrennungsmotoren, die aber erst ab 1876 zum Einsatz kamen, als es Otto gelang, einen Viertaktgasmotor mit verdichteter Ladung zu entwickeln. Dieser Motor ist bis heute weltweit die Grundlage für den Bau von Verbrennungsmotoren. 1864 gründete er zusammen mit dem Ingenieur Eugen Langen die erste Motorenfabrik der Welt, die heutige Deutz AG. 1872 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft verwandelt. Vor der Markteinführung des Otto-Viertaktmotors 1876 wurden von Otto-Langen-Motoren in Deutz bereits 5000 Flugzeugkolbenmotoren gebaut. 1884 erfand Otto für seine Motoren zudem die elektrische Zündung. Otto starb 1891 in Köln, sein Grab befindet sich auf Melaten. An ihn erinnert eine Figur am Rathausturm sowie ein Denkmal vor dem Bahnhof in Deutz, das sowohl Otto als auch Langen gewidmet ist. Das Werk an der Deutz-Mülheimer-Straße verschwindet mehr und mehr. Die Deutz AG produziert heute in Porz.
Albert Richter: Wer heute in Ehrenfeld unter dem Helios-Leuchturm an der Rheinlandhalle vorbeigeht, wird nicht erahnen, welch bewegte Geschichte dieser Ort hinter sich hat. 1928 begann in der früheren Fabrikhalle mit dem ersten Kölner Sechstagerennen die große Ära dieses Ortes. Im hölzernen Oval der Halle waren Radrennfahrer mit Tempo 70 unterwegs. Damit war dieser Ort als Sporttempel der Vorgänger der Sporthalle und der heutigen Lanxess-Arena. Zunächst konnte der spätere Sprintradweltmeister Albert Richter das Treiben nur heimlich beobachten und auch nur heimlich für seinen Sport trainieren, da seine Eltern einer Sportkarriere kritisch gegenüberstanden. Seinen Weltmeistertitel bei den Amateuren holte der 1912 geborene Ehrenfelder 1932 in Rom. Im Anschluss wechselte Richter ins Profilager. Die Chance, sein Können auch vor heimischen Publikum in der Rheinlandhalle zu zeigen, bot sich ihm nur selten. Schon Anfang 1934 verboten die Nationalsozialisten das Kölner Sechstagerennen. Dem NS-Regime war auch der Kölner Radprofi verhasst. Statt dem Hakenkreuz trug er den Reichsadler auf der Brust und verweigerte zudem den Hitlergruß. Später wurde der Elitesportler als Soldat eingezogen. Er pflegte trotzdem seine internationalen Freundschaften weiter und wurde verraten, als er Geld für einen jüdischen Freund in die Schweiz bringen wollte. Richter wurde an der Grenze verhaftet und kam 1940 im Gestapo-Gefängnis in Lörrach ums Leben. Sein Grab befindet sich auf Melaten. An den standhaften Kölner Sportler erinnert heute eine Gedenkplakette an der Rheinlandhalle. Die Kölner Radrennbahn in Müngersdorf ist nach ihm benannt worden. In der Rheinlandhalle befindet sich heute unter anderem das Zamus, das Zentrum für alte Musik.
Dorothee Sölle: Sie war eine streitbare Theologin und ihre politischen Nachtgebete in der Antoniterkirche an der Schildergasse waren weit über die Kölner Stadtgrenzen hinaus bekannt. Geboren wurde die evangelische Theologin und Schriftstellerin 1929 in Köln. Sölle gehört zu den bekanntesten Vertreterinnen des „anderen Protestantismus“. Sie übte Kritik an der Allmachtsvorstellung über Gott und versuchte in ihren Schriften, alltägliche Lebenserfahrungen mit theologischen Inhalten zu verknüpfen. Politisch war die Kölnerin in der Friedens-, Frauen- und Umweltbewegung engagiert. Nach dem Studium arbeitete Sölle zunächst in ihrer Heimatstadt als Lehrerin. Seit 1960 war sie auch Schriftstellerin und freier Mitarbeiterin im Rundfunk. Später lehrte sie als Privatdozentin in Köln und New York. Zu den zentralen Lebenserfahrungen zählten Reisen nach Nordvietnam (1972) und Nicaragua (1984). Sie war Mitbegründerin des Politischen Nachtgebets, eine Veranstaltung, die zwischen 1968 und 1972 in der Antoniterkirche stattfand. Dorothee Sölle starb 2003 in Göttingen.
Hans-Jürgen Wischnewski: Bekannt wurde er auch durch legendären Spitznamen „Ben Wisch“ - die Rede ist vom SPD-Politiker Hans-Jürgen Wischnewski. 1922 geboren, arbeitete er nach dem Krieg in der Metallindustrie und absolvierte eine Ausbildung zum Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall. Der SPD gehört der Wahlkölner seit 1946 an. Von 1959 bis 1961 war Wischnewski Bundesvorsitzender der Jusos. Später wurde er bei den Sozialdemokraten zum Mitglied des Parteivorstands, zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden und zum SPD-Schatzmeister. Von 1957 bis 1990 war er als Abgeordneter im Bundestag. Unter der Großen Koalition mit Kanzler Kurt Georg Kiesinger war Wischnewski Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, unter Helmut Schmidt war er unter anderem Staatsminister im Auswärtigen Amt und später im Kanzleramt. Bekannt wurde Wischnewski vor allem durch sein Wirken im Ausland. So hielt er während des algerischen Befreiungskampfes Kontakt zur algerischen Seite. Als Staatsminister wurde er mit zahlreichen Sondermissionen beauftragt. Bekannt wurde er im Zusammenhang mit den Verhandlungen zu den Terroranschlägen im „Deutschen Herbst“. So reiste der Kölner nach der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer in die fünf Länder, wohin die freigepressten Terrorist ausgereist waren und konsultierte die Regierungen in Algerien, Libyen, Irak, Südjemen und Vietnam. Als Sonderbeauftragter war er auch bei der Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ im Einsatz.