Laurentius-Jahr: Die Kirche mitten im Leben

Der Kölner Pfarrer Franz Meurer steht seit Jahren für eine radikale Hinwendung zu den Armen.

Burscheid. Wenn sich Gedanken wie Fäden durch den Raum spannen würden, in ihrer ganzen Sprunghaftigkeit, ihren Verästelungen und Sackgassen, die knapp 90 Besucher des Abends mit Franz Meurer hätten den Pfarrsaal an der Höhestraße am Ende nicht mehr verlassen können.

Über zwei Stunden hatten sie dem katholischen Pfarrer, seit 1990 in den Kölner Stadtteilen Vingst und Höhenberg tätig, zugehört, wie er über den Einsatz der Kirche für die Armen erzählte. Nur wenige Fragen wurden auch gestellt; in Meurers so anekdotengespickten wie ausführlichen Entgegnungen musste man aber bisweilen mühsam nach der Antwort suchen.

Meurer (55) ist in Köln eine Ikone der kirchlichen Sozialarbeit, ausgestattet mit der alternativen Ehrenbürgerschaft und ob seines Engagements so beliebt wie umstritten. Dass ihm die Gestaltung des ersten Vortragsabends der Katholischen Kirchengemeinde im Laurentius-Jahr vorbehalten war, macht Sinn.

Meurers Burscheider Amtskollege Markus Höyng, an der Kölner St.-Agnes-Kirche einst als Kaplan sein unmittelbarer Nachfolger, zitierte in seiner Begrüßung den überlieferten Laurentius-Satz: "Der Schatz der Kirche sind die Armen". Und Meurer bemüht sich um diesen Schatz tagtäglich inmitten eines schwierigen sozialen Umfelds zweifelsohne wie kaum ein anderer.

Wenn er nach einem kurzen Streifzug durch Burscheid gleich zu Beginn lobend erwähnt, dass St. Laurentius auch eine Toilette hat, zeigt das vor allem eines: Kirche gehört für Meurer mitten ins Leben. "Wenn Kirche nicht im normalen Leben der Menschen vorkommt, nützt sie nichts", sagt er irgendwann im Laufe des Abends.

Als "lebensweltorientierte Pastoral", also Seelsorge, beschreibt er seinen Ansatz. Da kann keine Idee zu handfest, kein Berührungspunkt zur Nachbarschaft im Viertel zu weltlich sein, um den Benachteiligten und Sprachlosen wieder Würde und Stimme zu geben. Der gerade in Burscheid gestarteten Schulranzen-Aktion gilt seine ganze Sympathie.

Der Verwahrlosung und Entsolidarisierung der Gesellschaft setzt er klare Maßstäbe entgegen: "Geborgenheit, Zuwendung und Leistung sowie Bildung" als Grundpfeiler der Erziehung, "aufsuchende Gastfreundschaft" und bedingungslose Öffentlichkeit als Merkmale des Gemeindelebens. "Bei uns gehört alles allen", formuliert das querdenkende CDU-Mitglied.

Doch wirklich fassbar wird das Phänomen Meurer an diesem Abend nicht: Zu sehr verliert er sich immer wieder in Endlosketten meist nur angerissener Beispiele aus seinem reichen Erfahrungsschatz. Zum Schluss bleiben weniger fassbare Erkenntnisse, sondern eher ein Gefühl für die vorbehaltlose Hingabe, die er meinen könnte, wenn er davon spricht, "im anderen mein Heil zu finden".