Letztes Geleit für eine alte Brücke
Als ein Kran die bald 120 Jahre alte Stahlkonstruktion demontiert, ist das ein willkommenes Ereignis für Zaungäste.
Burscheid. Letzte Ehre für ein altes Bauwerk: Als sich um 11.15 Uhr endlich die Ketten des Baukrans spannen, um die Stahlkonstruktion der alten Bahnbrücke in Kotten anzuheben, halten auch einige Zaungäste den Moment im Bild fest. Kurz noch muss der Bagger mithelfen, um die Träger vom Untergrund zu lösen, dann setzt Kranführer Dirk Jähnichen die knapp zehn Meter lange und etwa zehn Tonnen schwere Brücke sanft auf der ehemaligen Bahntrasse ab.
Ein Hauch von Nostalgie begleitet die Szene. Immerhin war die Brücke fast 120 Jahre lang die einzige Verbindung zwischen Müllersbaum, Kotten und Ösinghausen. Und man fragt sich, wie eigentlich die Bauarbeiter am Ende des 19. Jahrhunderts die Montage hinbekommen haben — ohne Spezialkran, der heute je nach Ausgleichsgewichten mühelos zwischen 90 und 130 Tonnen bewegen kann.
Auch der Unterbau der Brücke mit noch handbehauenen Natursteinen ist etwas für Liebhaber. Aber die sind gerade nicht da. Polier Alfred Sgonina zuckt mit den Schultern: „Eigentlich ist es schade drum. Der ein oder andere würde sich sicher darüber freuen.“ Es passiere auf dem Bau leider oft, dass in einem unpassenden Moment etwas vorhanden sei, für das man in einem halben Jahr dann wieder Verwendung habe. „Aber wir können nicht alles horten und lagern.“ Also werden die Steine abgebrochen und entsorgt.
Ein Schicksal, das sie mit dem Stahl teilen, den sie seit 1894 getragen haben. Auf dem Trassenboden wird er am Donnerstag mit Brenner und Flex zerteilt und dann mit dem Tieflader abgefahren. Damit endet die Brückengeschichte dreieinhalb Jahre, nachdem statische Gründe zu einer Gewichtsbegrenzung und langen Sanierungsdiskussion geführt hatten.
Einer der Augenzeugen ist Richard Prezewowsky. Am Samstagabend hatte er noch mit Anwohnern auf der Brücke ein kleines Abschiedsfest gefeiert. Aber dem nur einspurig befahrbaren Nadelöhr weint er keine Träne nach — „vor allem, seit die Belastung auf maximal zweieinhalb Tonnen begrenzt war“.
Denn die neue Verbindung, die in den vergangenen Wochen um einige Meter versetzt geschaffen wurde, ist für den Verkehr zwischen Ösinghausen und Dünweg ein Quantensprung. Endlich ist Begegnungsverkehr möglich, ein einseitiger Bürgersteig wird noch angelegt und der künftige Radweg kann die Anschüttung bequem durch die vorhandene Röhre unterqueren.
Unmittelbar an dieser Stelle werden die Fahrradfahrer aber nicht einsteigen können. Der Verknüpfungspunkt entsteht etwas weiter in die Straße Kotten hinein, wo sich Straßen- und Trassenniveau wieder angleichen. Die Stelle ist belastbar: Der Kranwagen zur Demontage der Kottener Brücke hat sie schon mal getestet — und mühelos den Einstieg in die Trasse gefunden.