Chefin des Gesundheitsamtes Viersen „Die Tests sind nicht zu hundert Prozent zuverlässig“

Interview | Kreis Viersen · Die Leiterin des Kreisgesundheitsamtes über hohe Inzidenzen, den Subtyp BA.5 und Schutz beim Feiern.

Barbara Nieters sagt auch, dass es durch Corona Ausfälle beim Altenheimpersonal und in Krankenhäusern gibt.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Seit Anfang des Monats haben sich die Inzidenz-Werte im Kreis Viersen fast verdreifacht, am Freitag stieg der Wert deutlich über die 800er-Marke, lag am Sonntag bei 831,7. Wie ist diese Entwicklung einzuschätzen? Dazu nimmt die Leiterin des Kreisgesundheitsamtes, Barbara Nieters, Stellung.

Die Infektionszahlen im Kreis Viersen steigen und steigen. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt deutlich über der im Land NRW und deutlich über der im Bund. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Barbara Nieters: Wenn man nach Münster oder Coesfeld schaut, sieht man noch höhere Zahlen als bei uns. Überall treffen sich die Menschen derzeit wieder...

...zum Beispiel bei Schützenfesten...

Nieters: Ja, aber auch bei Konzerten oder bei privaten Feiern. Überall! Dass die Coronazahlen derzeit so stark steigen, liegt an dem hochinfektiösen Subtyp BA.5. Es ist also nicht so, dass mich das nicht beunruhigen würde, aber natürlich schaue ich auf die Belegung der Intensivbetten.

Die sind derzeit bezüglich Covid-Patienten ziemlich
leer.

Nieters: Auffällig ist, dass die Belegung mit reinen Covid-Kranken nicht mehr vergleichbar ist mit den Belegungszahlen bei früheren Inzidenzen. Die Inzidenz geht hoch, aber die Zahl der Intensivpatienten steigt nicht in dem Maße mit. Von einer Überforderung der Krankenhäuser sind wir derzeit entfernt.

Da derzeit viele tausend Menschen im Kreis Viersen mit Corona infiziert sind, können sie nicht arbeiten gehen. Welche Folgen hat das für den Gesundheitssektor?

Nieters: Wir nehmen Ausfälle von Personal in Altenheimen und Krankenhäusern im Kreis Viersen wahr. Dazu sind wir im engen Austausch mit den Betreibern, haben täglich Kontakt. Bisher haben wir aber keinen Versorgungsengpass.

Das Wetter ist schön, es gibt zahlreiche Veranstaltungen, das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufes erscheint gering — welchen Ratschlag haben Sie für Leute, die feiern gehen möchten?

Nieters: Für jeden, der sich selbst schützen möchte: Ein vollständiger Impfschutz ist wichtig. Und dann liegt es natürlich in der Eigenverantwortlichkeit: Abstand halten, im Zweifel drinnen und auch draußen bei Enge eine FFP2-Maske tragen. Und natürlich würde ich mir wünschen, dass jeder zu Hause bleibt, der Symptome hat. Das gilt nicht nur für Corona, das gilt auch bei einer normalen Grippe oder anderen ansteckenden Krankheiten.

Bei Ihren Empfehlungen war jetzt gar nicht von Schnell- oder Bürgertests die Rede...

Nieters: Ich sehe ein Problem bei den Tests. Sie sind nicht zu hundert Prozent zuverlässig. Und damit sehe ich die Gefahr, dass sie Leute in falscher Sicherheit wiegen. Nach dem Motto: „Ich bin ja negativ, ich brauche auf Abstand nicht zu achten.“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat am Freitag angekündigt, dass Bürgertests von dieser Woche an drei Euro kosten sollen, mit Ausnahmen. Der Landkreistag hatte sich grundsätzlich für kostenlose Bürgertests ausgesprochen. Wie beurteilt der Kreis Viersen den Plan von Lauterbach?

Nieters: Mir liegt die entsprechende Gesetzgebung des Bundesgesundheitsministeriums noch nicht vor, deshalb kann ich mich dazu schlecht äußern.