Debatte in Deutschland Den Wolf schützen – oder schießen?

Düsseldorf · Das Bundeskabinett will den Abschuss erleichtern. Naturschützer und Tierhalter hingegen suchen jetzt gemeinsam nach Wegen, mit den Wölfen leben zu lernen.

NRW hat bisher kein Rudel, nur drei standorttreue einzelne Wölfe und einige Jungtiere. (Symbolfoto)

Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Der Wolf übt auf die Menschen in Deutschland eine große Faszination aus. Aber er schürt auch Ängste. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die öffentliche Diskussion, seit das Wildtier vor fast 20 Jahren zurückkehrte: Soll es sich geschützt ausbreiten dürfen? Oder muss es weg, wenn es dem Menschen und seinen Nutztieren zu nahe kommt? Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf verabschiedet, der das Töten von Wölfen zumindest erleichtern soll. Elf Verbände – von Naturschützern bis zu Berufsschäfern – haben sich jetzt gemeinsam zu Wort gemeldet und erklärt: Ein Leben mit dem Wolf muss möglich sein.

In Berlin saßen am Mittwoch etwa Vertreter von Naturschutzbund (Nabu), BUND und der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe, aber auch vom ökologischen Jagdverband, Bundesverband der Berufsschäfer sowie der Freizeitreitervereinigung am Tisch. Ihre Forderung an die Politik: „Es braucht endlich Rahmenregelungen des Bundes, um eine tragfähige Koexistenz zwischen Wölfen und Weidetierhaltung zu ermöglichen.“ Beide seien ökologisch wertvoll und dürften nicht länger gegeneinander ausgespielt werden.

Das breite Bündnis kritisierte einen unübersichtlichen Flickenteppich in Deutschland bei den Regelungen zum Herdenschutz; auch bei der rechtlich längst möglichen Tötung von auffälligen Wölfen, die Schutzzäune überwinden und Nutztiere reißen, fehlten klare Standards. Dieses „föderale Wirrwarr“ gelte es zu beheben. Dazu müssten das Landwirtschafts- und das Umweltministerium endlich eng zusammenarbeiten. Bisher allerdings liegen die beiden Häuser in wichtigen Fragen über Kreuz: Zwar will auch Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) den Abschuss auffälliger Wölfe erleichtern, für eine präventive Tötung zur Populationskontrolle, die Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) ins Spiel gebracht hatte, sieht sie aber keine rechtliche Grundlage.

In NRW droht Streit, wenn ein erstes Rudel sich formiert

Marie Neuwald vom Wolfsprojekt des Nabu geht es in der aktuellen politischen Debatte viel zu sehr ums Schießen. Der Gesetzentwurf des Bundeskabinetts habe sie „sehr überrascht“. Dabei habe die Meinung der Deutschen gar keinen so großen Umschwung erlebt, wie Berichterstattung und Politik vermuten lassen: Laut Umfragen des Nabu 2015 und 2018 hat sich an den Zustimmungswerten des Wolfes kaum etwas geändert; noch immer sagen fast 80 Prozent der Menschen, er solle in Deutschland leben dürfen – auch wenn das zu Problemen führe.

Und das tut es – für viele überraschend, weil sie einem Irrglauben aufgesessen sind: „Der Wolf braucht keine Weiten wie in Alaska. Er kommt mit unserer Kulturlandschaft gut klar“, erklärt Neuwald. Gerade im dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen führt das zu unerwarteter Nähe. „Der Wolf hat zwar Angst vor dem Menschen, aber nicht vor den Strukturen, die der Mensch schafft“, verdeutlicht Peter Schütz, Sprecher im Landesumweltministerium. Er glaubt deshalb: „Die Probleme werden hier erst noch kommen.“ NRW hat bisher kein Rudel, nur drei standorttreue Einzeltiere und einige Jungtiere, die derzeit auf der Suche nach einem eigenen Revier durchziehen. Doch schon jetzt gibt es speziell am Niederrhein rund um Schermbeck heftige Diskussion um die Wölfin „GW954f“, die immer wieder Nutztiere reißt. Zum Teil wenige Meter von Häusern entfernt.

Dennoch sieht Schütz in diesem Fall keine rechtssichere Grundlage für eine „Entnahme“. Er wisse, dass diese Aussage Menschen vor Ort in deren nachvollziehbarer Verunsicherung schwierig vermittelbar sei. Aber: Mit Ausbau des Herdenschutzes in der Region seien die Risse durch die Wölfin schon zurückgegangen – und alle Register seien dabei noch nicht gezogen. Problem sei, dass die Unterstützung des Landes für Elektrozäune, Schutzhunde und dergleichen pro Betrieb bei 20.000 Euro in drei Jahren gedeckelt sei. Alles darüber hinaus gilt der EU als unlautere Subvention. NRW versucht derzeit, von dieser Regelung befreit zu werden, um mehr tun zu können. Schütz rechnet für Mitte des Jahres mit der Freigabe.

Auch Nabu-Expertin Marie Neuwald ist sicher, dass Investition in den Herdenschutz der einzige Weg zu einem friedlichen Zusammenleben ist. Dazu sei auch technologischer Fortschritt nötig, für den sich Landwirte, Politiker und Experten an einen Tisch setzen sollten. „Es ist schade, dass Landwirtschafts- und Umweltministerium ihre Kapazitäten nicht besser zusammenlegen“, sagt sie.