Braunkohle Der Hambach-Druck auf die NRW-Politik
SPD-Fraktionschef Kutschaty kritisiert die Landesregierung. Neue Leitentscheidung zum Braunkohlerevier? Regierung erklärt sich heute.
Der Brief klingt wie ein schlechter Scherz. Vermutlich aber ist er den Sympathisanten für eine neue Energiepolitik, die sich gerade auf den weg zu machen scheint, ganz willkommen: Die Ecosia GmbH aus Berlin will für eine Million Euro den Hambacher Wald kaufen.
Das Unternehmen hat das am Dienstag mit einem öffentlichen Brief („Sehr geehrter Herr Dr. Schmitz“) dokumentiert und begründet den natürlich heillos untertriebenen Kaufpreis mit dem „damaligen Kaufpreis, den die in die RWE aufgegangene Rheinbraun AG in den 1970er Jahren diversen Quellen zufolge den Gemeinden bezahlt hat, umgerechnet circa 500 000 Euro“. Dazu komme Verzinsung „in Höhe der entsprechenden Lohnsteigerungen der untersten Lohngruppe bei RWE“, und inklusive Aufrundung lande man bei der angebotenen einen Million Euro. Experten zufolge ist der Wald, an dem RWE allein die darunter liegende Braunkohle interessiert, eine dreistellige Millionensumme wert.
Sei es drum: Christian Kroll als Geschäftsführer der Ecosia GmbH, die als „ökologisch inspirierte Suchmaschine“ firmiert und angeblich 80 Prozent ihres Überschusses für gemeinnützige Naturschutzorganisationen spendet, wird den Wald nicht bekommen. „Dieses Angebot kommentieren wir nicht und werden darauf auch nicht reagieren – das Angebot spricht für sich selbst“, sagte ein RWE-Unternehmenssprecher.
Sprecher: In Neurath und Niederaußem sinkt Erzeugung
Das Unternehmen hat Konsequenzen aus den vergangenen Wochen gezogen: Die jetzt angekündigte Reduzierung der Förderung werde sich auf die Stromproduktion von zwei Kraftwerken auswirken, sagte der RWE-Sprecher.
In den Kraftwerken Neurath und Niederaußem zwischen Düsseldorf und Köln könnte die Stromerzeugung um 9 bis 13 Terawattstunden im Jahr sinken. Beide Kraftwerke werden aus Hambach beliefert. Im vergangenen Jahr hat RWE 202 Terawattstunden Strom produziert, davon gut 74 aus Braunkohle. Die finanziellen Auswirkungen des Rodungsstopps hatte RWE auf einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag pro Jahr beziffert.
Dass mit dem Urteil des OVG Münster zum vorläufigen Rodungsstopp vor allem das Land NRW und damit auch die Landesregierung eine Schlappe eingesteckt hat, führte gestern der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Kutschaty genüsslich aus. Die Landesregierung habe laut Beschluss des OVG in Münster „als Beklagte“ über die Bezirksregierung Arnsberg attestiert bekommen, „weder substantiert dargetan noch durch entsprechende Unterlagen belegt, dass die sofortige Rodung zur Abwehr einer schwerwiegenden konkreten Gefahr oder als unaufschiebbare Maßnahme im Interesse des Gemeinwohls notwendig sei, weil anderenfalls die Energieversorgung bundes- oder landesweit nicht mehr gewährleistet wäre“.
Kutschaty schlussfolgerte daraus: „Die Landesregierung hat ihre Hausaufgabe nicht gemacht.“ Zudem kritisierte der Oppositionsführer die „Scheinargumente zum Abbau der Baumhäuser“ in Hambach. „Das war peinlich, das hat die Menschen geärgert. Wenn, dann hätte man doch gleich sagen sollen: „Wir bereiten hier die Rodung vor.“
Die Folgen des Rodungsstopps sind an diesem Mittwoch ab 10 Uhr Thema im Landtag, dann zuerst mit einer Regierungserklärung „zu den Planungen zu aktuellen und energie- und klimapolitischen Herausforderungen“.
Die Grünen fordern eine neue Entscheidung der schwarz-gelben Koalition zum Braunkohleabbau im Rheinischen Revier, mit der die genehmigten Fördermengen drastisch reduziert werden. Tatsächlich scheint eine neue Leitentscheidung nicht mehr außer Sicht. Kutschaty verlangte dafür gestern aber aus SPD-Sicht, zuerst drei Punkte geklärt haben zu müssen: Versorgungssicherheit, organisierter Strukturwandel und eine Perspektive für die Beschäftigten im rheinischen Revier. Auch aus der CDU hatte es Signale gegeben, die zuletzt 2016 gefasste Leitentscheidung zur Zukunft des Rheinischen Braunkohlereviers womöglich zu erneuern.
Dass Justizminister Peter Biesenbach (CDU) derweil zuletzt angekündigt hatte, er wolle künftig bei Großprojekten die erste gerichtliche Instanz abschaffen, erzürnte Kutschaty, Rechtsschutz brauche gerade in solch prekären Fragen die Instanzen: „Wenn Menschen das Gefühl haben, die Projekte würden im „Hauruckverfahren durchgepeitscht, nimmt der Widerstand nur noch zu“.