Rücken-, Schulter- oder Nackenprobleme Doktor auf vier Hufen: Feldenkrais auf dem Pferd gegen Rückenprobleme
Köln · Feldenkrais ist eine alte Methode zur Verbesserung des Körpergefühls und zur Schmerzbekämpfung. Eine Kölnerin setzt dafür ihre Pferde ein.
Das Pferd zieht eine Kutsche. Das ist nützlich. Oder jemand reitet darauf. Das ist ein Vergnügen. Aber ein Pferd kann noch etwas: heilen. Körperliche Schäden und auch die Psyche. Es gibt freilich nicht allzu viele Pferde, die das können. Jedenfalls nicht das, was die Pferde von Corinna Mrositzki tun.
Gewiss, da ist die Hippotherapie, eine Art Krankengymnastik auf dem Pferd, es gibt heilpädagogisches Reiten und Reiten für Behinderte. Doch was die Kölnerin zusammen mit ihren zwei Pferden Mashoub und Percy macht – ein drittes, Merlin, wird gerade angelernt – ist ein ganz anderer Ansatz. Die 53-Jährige ist eine der wenigen Experten in Deutschland, die die Feldenkrais-Methode (siehe Infokasten) auf dem Pferderücken anwendet. Auf einem Reiterhof im Kölner Stadtteil Fühlingen.
Mrositzki schätzt, dass es bundesweit neben ihr etwa 20 weitere solcher „Practitioner“ gibt. Nach dem Abschluss ihrer zweijährigen Schulung vor zehn Jahren hat sie bis heute eine Klientenzahl im hohen dreistelligen Bereich betreut. Sie half, Muskelverspannungen zu lösen, Bewegungseinschränkungen und Schmerzen zu reduzieren, Körperhaltung und Koordination zu verbessern. Damit einhergehend: psychische Ausgeglichenheit.
Die dreidimensionale Bewegung des Pferdes zulassen
„Oft hängt das eine mit dem anderen zusammen“, sagt die gebürtige Hamburgerin. Nein, ihre Klienten müssen keine Turnübungen auf dem Pferderücken machen. Ihren Ansatz beschreibt Mrositzki so: „Es geht darum, seine Körperbewegungen so leicht auszuführen, wie es geht.“ Durch Stress, falsche Sitzhaltung, Schonhaltung, falsche Gewohnheiten oder auch Verletzungen gewöhnten sich viele Menschen Bewegungsmuster an, die entweder nicht effizient oder sogar schädlich sind und dadurch körperliche Schäden wie zum Beispiel Schmerzen im unteren Rücken hervorrufen.
„Die Haltung wirkt sich aus auf die Gemütslage aus und die Gemütslage wiederum auf die Haltung. Das ist so ein Kreislauf“, sagt sie, und den versucht sie im positiven Sinn zu durchbrechen. „Es ist ein ganzheitlicher Ansatz, mit Esoterik hat das nichts zu tun“, nimmt Mrositzki die Antwort auf die nächste Frage vorweg.
Ebensowenig gehe es um Turnübungen auf dem Pferd, sondern um das bewusste Erleben von Bewegung. Die dreidimensionale Bewegung auf dem Pferderücken, der der Mensch sich hingibt. Warum dreidimensional? Mrositzki erklärt: „Die Rückenmuskulatur des Pferdes schwingt beim Vorwärts und Rückwärts, dazu auch auf und ab. Und der ganze Pferderücken schwankt.“ Der Reiter, sie nennt ihn Klient, übernimmt diese Bewegung des Pferdes, gibt sich ihr hin. Muss sie zulassen. Eben dazu leitet ihn die Feldenkrais-Lehrerin an.
Schnell nimmt sie den Menschen, die zu ihr kommen, die Illusion, er oder sie könne das Pferd bewegen. „Das ist doch 600 Kilo schwer, da kann man nur zulassen, dass es sich bewegt. Und durch dieses Zulassen, durch das Sich-Hingeben, wird das Becken des Reiters gelockert.“ Oft schon nach 20 Minuten lösten sich Spannungen, die zu Rückenproblemen geführt hatten, sagt Mrositzki. Die dreidimensionalen Schwingungen des Pferdes übertragen sich auf das Nervensystem des Menschen. „Die Arbeit macht das Pferd, ich selbst laufe nur nebenher“, sagt die Lehrerin.
Rücken-, Schulter- oder Nackenprobleme, auch Arthrose führen die Menschen zu ihr. Es kommen Migräne-Patienten oder solche, die ihre Reha nach einer Kniegelenks-OP hinter sich haben und weiter etwas für ihre Mobilität tun wollen. Ihre älteste Klientin war 82 Jahre alt, aber auch jungen Mädchen mit Haltungsproblemen hilft sie. Insgesamt seien es mehr Frauen als Männer.
Mrositzki erinnert sich an einen 50-jährigen Mann mit Hüftarthrose. Die Ärzte hatten zur Operation geraten, er wollte das vermeiden. Zunächst sei er nur unter Schmerzen aufs Pferd gekommen. „Nach einem halben Jahre konnte er schmerzfrei laufen, er hatte durch das Zulassen der Bewegung gelernt, Beine und Becken anders zu benutzen.“ Bei Menschen, die im unteren Rücken Probleme haben, seien diese wegen des Lernens der veränderten Bewegungsabläufe oft schon nach zehn Stunden weg.
Apropos Stunden, zahlt das eigentlich die Krankenkasse? „Leider nicht, sagt Mrositzki. Ich muss privat abrechnen. 70 Euro die Stunde nimmt sie. Das muss sie auch, kostet sie doch jedes ihrer drei Pferde rund 650 Euro im Monat.
„Man kommt in die Balance, wortwörtlich und seelisch“
Oft wird klar, dass seelische Probleme hinter den körperlichen stecken, die die Menschen zu ihr führen. Manchmals sprechen sie auch darüber. Wird Mrositzki dann zur Psychotherapeutin?„Das wäre zu hoch gegriffen“, wehrt sie ab. Aber den Gemütszustand über Körperarbeit zu verbessern, das sei auf jeden Fall ihr Weg. Auch jenseits verbaler Kommunikation. „Zu mir kommen immer wieder Klienten, die waren schon längst beim Psychotherapeuten. Was ich bewirken kann, ist, dass sie eine andere, eine bewusstere, eine bessere Körperhaltung bekommen.“ Und allein das verändere schon sehr viel an der Gemütslage. „Gerade bei Depressiven macht das was, wenn sie auf so einem Gaul sitzen. Man kommt in die Balance, wortwörtlich und seelisch.“
Mrositzki erinnert sich an eine Klientin, die wegen Burnout zu ihr kam. Im Winter habe sie auf einem ihrer Pferde gesessen. Vom hohen Ross im wahrsten Sinne habe die Frau ihr, die sie sich da zu Fuß durch den tiefen Schnee kämpfte, gesagt: „Ach Frau Mrositzki, wenn sie wüssten, wie das ist, wenn man so viel arbeiten muss.“
„Da habe ich mich erst geärgert“, sagt Mrositzki, „mir lag auf der Zunge zu fragen, ob sie denn glaube, dass ich mich bei Kälte und Schnee zum Privatvergnügen abrackere. Aber dann habe ich doch nichts gesagt. Und gedacht: Eigentlich hat sie ja Recht. Ich mach das doch gerne, immer an der frischen Luft. Den Pferden dabei assistieren, wie sie Menschen zur Balance verhelfen.“
Manch ein Klient kommt auch dann weiter zu ihr, wenn die gesundheitlichen Probleme gelöst sind. Dann bringt sie ihm oder ihr das Reiten bei. „Das ist dann gar nicht mehr schwer, das meiste können sie dann schon“, sagt Mrositzki. „Sie sitzen jedenfalls viel besser auf dem Gaul als manch einer, der denkt, er könne gut reiten.“