25 Jahre Forum Freies Theater (FFT) Wo die neuen Ideen wohnen

Düsseldorf · Denkfabrik, Kunstlabor und Plattform für alle Kultur- und Gesellschaftsinteressierten: Seit 25 Jahren gibt es das Forum Freies Theater in Düsseldorf. Jetzt wird gefeiert.

Die Performance „Daughters of the Future“ war bis März zu sehen.

Foto: Melanie Zanin

Wie alles begann: Am 1 April 1999 wurde das Forum Freies Theater (FFT) gegründet – mit zwei Spielstätten, 805 100 D-Mark Zuschuss des Düsseldorfer Kulturausschusses und einer Menge Idealisten. Die zwei Standorte damals: das Junge Theater in der Altstadt an der Kasernenstraße, kurz „Juta“, und das ehemals private Theater Kammerspiele an der Jahnstraße.

Der Theatermacher Niels Ewerbeck kam von Berlin an den Rhein, um die neue, unerhörte Kultureinrichtung auf den Weg zu bringen. In einem Zeitungsbericht vom 10. Februar 1999 heißt es: „Das ,Forum‘ soll nicht nur die Lücke schließen, die zwischen den großen Theaterhäusern und den privaten Boulevard-Theaterbühnen der Landeshauptstadt noch klafft. Es soll die Arbeit der freien Szene fördern, kanalisieren und den beiden Spielstätten… zu überregionaler Bedeutung verhelfen.“ Kathrin Tiedemann, künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin, und Christoph Rech, Dramaturg und stellvertretender Geschäftsführer, erinnern sich: „Es war ein Produktionshaus mit wenig Platz, aber viel Programm.“

Tiedemann arbeitete seinerzeit als Dramaturgin in der Kulturfabrik Kampnagel in Hamburg. 2004 fragte die Düsseldorfer Kulturamtsleiterin Marianne Schirge sie, ob sie die Stelle von Niels Ewerbeck übernehmen wolle. Sie wollte. 20 Jahre ist das her.

Die früheren Spielstätten

Die zwei Standorte des FFT hatten fraglos Charme und bargen Tücken: „Die Kammerspiele waren ein interessanter Ort, ein ehemaliges Operetten­haus im einstigen Klein-St.-Pauli von Düsseldorf. Das Theater mit 200 Plätzen lag im Keller des Hochhauses, mit viel Naturstein und Edelstahl gebaut. Die Bühne war niedrig und breit. Das Juta dagegen hatte nur 100 Plätze, aber eine bessere Bühne im Wilhelm-Marx-Anbau.“ Immer wieder kämpfte das FFT-Team mit den bescheidenen technischen Gegebenheiten der Bühnen.

Die ersten Stücke

Die erste Spielzeit startete mit Stücken wie „Gott ist ein DJ“ und der Tschechow-Abwandlung „Möwe – Terror – Spiel“. Zu den frühen Künstlern gehörten She She Pop, Performance-Kollektiv aus Berlin, und die Regisseurin Claudia Bosse. „Sie sind bis heute unsere Partnerinnen“, sagt Tiedemann. Das Juta hatte den Schwerpunkt Kabarett und Comedy, einer der ersten Acts: Dieter Nuhr.

Die ersten Feuilletonberichte

Nach dem Auftaktartikel in der Tageszeitung vom 10. Februar 1999 folgte am 5. August die erste Programmankündigung mit dem Titel „Ein frischer Wind ist zu erhoffen“. 2001 dozierte-mokierte der Autor von „Theater der Zeit“ über die Tatsache, dass ausgerechnet Düsseldorf ein alternatives Kulturzentrum ­hervorgebracht habe: „Entsprechend verwunderte es zunächst nicht, dass in Düsseldorf, einer Stadt, die ihre Nähe zum Schweiß der Arbeit seit jeher durch vorgetragene Kaufleutseligkeit kompensiert und wo etwa das Schauspielhaus sich mit einer gewissen blasierten Eleganz zu Füßen eines Konzernhochhauses schlängelt, dass also in der Stadt der Mode, des Hochleistungs­shoppings und der Werbeagenturen die freie Theaterszene vor gut einem Jahr ihren neuen Mittelpunkt im Basement eines eisglatten Bürohauses einnahm…“

Wozu FFT?

Freier, jünger, unkonventioneller, diskursiver, experimenteller, demokratischer, multimedialer als die etablierten Theater. Das ist Programm im FFT. „Man nennt uns die dritte Säule der Theaterlandschaft“, sagt Tiedemann. Das FFT unterstütze die Künstler mit Know-how, Technik, Räumen, Manpower.

Zugleich pflegt es die kurzen Drähte zu Vereinen, Initiativen und Gruppen mit gesellschaftlichen und kulturellen Themen. Netzwerken und das Erforschen gesellschaftlicher Fragen gehöre auch dazu, so Rech.

Das FFT hat weder ein eigenes Ensemble, noch spielt es Repertoire. Die Künstlertruppen, die kommen und gehen, touren national und international.

Wer alles gekommen ist

Thorsten Lensing, Charlie Hübner, Ursina Lardi, Hanna Schygulla, Etel Adnan, Sydney Rose, Vincent Ribbeck, Florentina Holzinger, Slavoj Zizek, Toshiki Okada.

Der größte Erfolg

„Unser Umzug 2021 ins Kap 1“, sagt Kathrin Tiedemann. „Ich verstehe es als Anerkennung unserer Arbeit, dass wir diesen Ort und diese Räume bekommen haben.

Seitdem haben wir hervorragende technische Möglichkeiten. Wir haben ein Foyer, das für offene Veranstaltungen nutzen können, wie wir es uns immer gewünscht haben. Wir profitieren von der Nachbarschaft mit der Bibliothek. Es war wirklich ein Wendepunkt für uns.“

Der größte Flop

„Wir haben jahrelang um die ‚Botschaft‘ am Worringer Platz gekämpft. Ich bedaure sehr, dass wir das als Theater nicht erhalten konnten“, sagt Tiedemann.

Meilensteine in einem Vierteljahrhundert

„Das sind für mich herausragende Stücke“, sagt Tiedemann. Um drei zu nennen: die Choreografie „Letters from Tentland“ von Helena Waldmann (2005). Darin tanzen iranische Performerinnen in Zelten, weil das Tanzen im Iran verboten ist. „Othello, c’est qui“ (2008) von Gintersdorfer/Klaßen. Das Stück beleuchtet, dass Shakespeares Othello als schwarze Theaterfigur den Blick der Europäer auf das Fremde bedeutet. „Testament“ (2010) von She She Pop, einer „King Lear“-Variation, bei der die Töchter mit ihren Vätern auf der Bühne über den Tod der Eltern sprechen: „Das war sehr berührend und für das Kollektiv war das der große Durchbruch.“

State of the Art

Mehr als 300 Veranstaltungen bietet das FFT im Jahr für rund 22 000 Besucherinnen und Besucher an. 17 festangestellte Männer und Frauen arbeiten dort vom Dramaturgen bis zur Buchhalterin. Über das Jahr ist das Forum an unzähligen Festivals beteiligt: etwa „Spielarten“ (freies Theater für junges Publikum), „Game on Stage“ (Schnittstelle Theater und Gaming), „West Off“ (künstlerischer Nachwuchs), Impulse Theater Festival (Plattform für Darstellende Künste), „Maulheld*innen“ (Landes-Schultheater-Treffen). Darüber hinaus widmet es sich aktuellen Themen: Inklusion, Nachhaltigkeit, Natur und Klima, Digitalisierung. Im Oktober etwa soll es um Tiktok gehen. Es geht um alles, was sich die Seismografen der freien Kulturszene wahrnehmen eben.

Und in Zukunft?

Just in der Sommerpause kam die schlechte Nachricht. Der Bund will die Fördermittel für das Bündnis Internationaler Produktionshäuser streichen. „Zum Geburtstag hätten wir uns etwas Anderes gewünscht“, sagen Tiedemann und Rech. „Viele Pläne liegen deshalb jetzt auf Eis. Es geht um rund 440 000 Euro jährlich. Aber egal, wohin die finanzielle Reise geht, wir sind ein toller Ort. Es mangelt uns nicht an Ideen“, sagt die künstlerische Leiterin. Und auch wenn das FFT ein Hauch des Abgefahrenen umgibt. So ist es eines auch ganz simpel und altbacken: „ein Ort der Begegnung“.

(saja)