Special Hockey für Kinder in Düsseldorf Hier dürfen sie sein, wie sie sind
Flingern · In der Hockey-Abteilung des DSD gibt es die stadtweit erste eigene Gruppe für Kinder und Jugendliche mit Behinderung. Sie ist nicht integrativ – und kommt gerade deshalb gut an. Im Frühjahr soll es aufs erste Turnier gehen.
Mit dem Hockeyschläger werden in Zweier- und Dreiergruppen bunte Bälle aus auf dem Rasen liegenden Reifen geholt und anschließend gezählt. Ziel ist, besonders viele Bälle zusammenzubekommen, was Leonardo und Anton am besten hinbekommen. Aber eigentlich ist es gar nicht so wichtig, wie viele genau es am Ende sind. Vielmehr kommt es aufs Ballgefühl an, darauf, mit dem Schläger umgehen zu lernen und einfach gemeinsam Sport zu treiben, sich zu bewegen, Spaß zu haben. Das zählt beim ersten Special-Hockey-Team für Kinder der Stadt, das der Deutsche Sportklub Düsseldorf (DSD) seit einigen Monaten anbietet.
An einem kühlen Freitagnachmittag im September haben sich auf einem Platz des Vereins sieben Kinder und Jugendliche eingefunden, um zu trainieren. Alle tragen die leuchtend roten Trikots des Vereins mit dem Adler auf der Brust. Diese wurden mit dem Gewinn aus einer Aldi-Aktion finanziert, noch ist das Team auf der Suche nach einem Trikotsponsor. Sechs Jungs und ein Mädchen sind heute dabei, alle ziemlich unterschiedlich: Der Kleinste ist knapp über einen Meter groß, der Größte überragt beide Trainerinnen um einen Kopf, der Älteste ist 14 Jahre alt, der Jüngste sechs. Was sie vereint, ist, dass sie geistig und teilweise auch körperlich eingeschränkt sind – und dass sie Lust auf Hockey haben.
Angeleitet wird das Team von Stephanie Stauder. Die 46-Jährige macht das ehrenamtlich, eigentlich ist sie Grundschullehrerin. Zum Hockey kam sie über ihr Kind, das beim DSD spielt. Die Idee, ein Team für Kinder und Jugendliche mit Behinderung ins Leben zu rufen, hatte sie schon länger – doch Wirklichkeit wurde sie erst, als Stauder mit Viola Jordan, die an einer Förderschule unterrichtet, eine Mitstreiterin gefunden hatte. Gemeinsam machten sie Werbung für ihr Projekt beim Verein und bei der Stadt – Stauder sitzt für ihre Schule am Runden Tisch Inklusion, mancher Weg war da nicht ganz so weit. Und die Idee kam an, nach den Osterferien ging’s los.
Zwischen acht und zehn Teilnehmer sind inzwischen regelmäßig dabei. Einer davon ist der 13-jährige Anton. „Das Training macht viel Spaß, ich wurde auch in Düsseldorf geboren, es ist schön hier“, sagt er. Seine Mutter schaut mit anderen Eltern am Rand des Platzes zu. Die Familie wohnt in Köln, dort spielt auch der ältere Bruder Hockey. „Aber in dem Verein gibt es kein Team für Anton“, sagt sie, „dann müssen wir eben fahren.“ Nicht nur für die Kinder sei das Team eine tolle Sache, sondern auch für die Eltern, um sich auszutauschen und Erfahrungen zu teilen. Die anderen Eltern, die da sind, nicken. Ihre Kinder auf dem Platz sind da schon bei der nächsten Übung. Stauder und Jordan teilen das Team wieder in kleinere Gruppen auf, um dribbeln zu üben; ihre Co-Trainerinnen Josefa und Maja, beide Spielerinnen des DSD, helfen ihnen. „Die beiden sind die, die Ahnung von Hockey haben“, sagt Stauder. „Wir haben zwar beide Sport studiert, bringen hier aber eher die pädagogische Kompetenz ein.“ Die ist auch immer mal wieder nötig, etwa, wenn eines der Kinder kurz abschweift und sich abseits der Gruppe auf den Boden setzt.
Feste Positionen gibt es im Team noch nicht, dafür ist es noch zu früh, sagen die Trainerinnen. Auch ein richtiges Spiel hatten sie noch nicht – was aber auch daran liegt, dass es in der näheren Umgebung nichts Vergleichbares gibt, zumindest nicht für behinderte Kinder und Jugendliche. Diese spielen wenn überhaupt in den normalen Gruppen mit, aber genau das wollten Stauder und Jordan nicht. Ihr Team ist nur für junge Menschen mit Einschränkungen offen, einzige Voraussetzung: auf dem Platz mobil zu sein. „In anderen Gruppen gehen sie oft unter, merken, dass sie nicht mitkommen, fühlen sich nicht wohl oder sogar unter Druck“, sagt Jordan. Hier sollen sie ganz sie selbst sein können und mit ihren Familien Teil des Klubs werden.
Kritik daran, dass das Angebot eben nicht integrativ ist, gibt es nicht, sagen beide Trainerinnen. Vielmehr seien die Eltern froh, dass es endlich mal ein Sportangebot nur für diese Kinder gebe, sagt Stephanie Stauder.
Im Oktober nimmt Stauder an einer Tagung des Deutschen Hockey-Bundes zum Thema Special Hockey teil, sie hofft, dabei auch endlich einen ersten Gegner für ihr Team zu finden. Außerdem könnte Special Hockey paralympisch werden – und so noch einmal auf eine ganz andere Stufe gehoben werden. Im Frühjahr will das DSD-Team jedenfalls sein erstes Turnier spielen. Für Anton steht schon fest, wo auf dem Platz er dann stehen möchte. „Im Tor“, sagt er, „da spielt mein Bruder auch.“
Der Vater von Leonardo, neun Jahre, kommt jede Woche, um sich das Training anzuschauen. Der Junge hat gleich zwei seltene genetische Defekte, er kann nicht sprechen, sondern verständigt sich über Gebärdensprache. Im Team fühlt er sich wohl, sagt der Vater, in der Hockey-Gruppe bekomme Leonardo die Unterschiede zu anderen Kindern zum ersten Mal in seinem Leben nicht so zu spüren. „Hier fühlt er sich nicht anders als die anderen, sondern gehört einfach dazu.“