Schräger Spaghetti-Western Ärzte-Sänger Bela B. : Bleihaltiges Loblied auf den Trash
Ärzte-Sänger Bela B. gastierte mit seinem skurrilen Live-Hörspiel im ausverkauften Capitol. Schräger Spaghetti-Western mit Country-Band auf der Bühne.
Düsseldorf. Warum er einen Spaghetti-Western mit völlig bescheuertem Titel als — Achtung! — „Live-Hörspiel in Concert“ auf die Bühne bringt? Ist doch klar: Weil er es einfach kann. Bela B. gehört schließlich zum deutschen Volksgut. Selbst Menschen, die seine Hauptband Die Ärzte nicht mögen, mögen ihn, den nimmermüden Steh-Schlagzeuger mit den zig Nebenprojekten.
Wer in der westlichen Hemisphäre den Namen Bela B. hört, der denkt nicht an den Klassik-Komponisten Béla Bartók, sondern an den Berliner Punker, der eigentlich Dirk Felsenheimer heißt. Der ist nämlich für alle, die ihn kennen, ein Personenmix aus Präsident, Papa, Mama und liebem Gott, nach dem Kinder benannt werden. Und bei der Premiere seines „Sartana — noch warm und schon Sand drauf“-Hörspieles im ausverkauften Capitol-Theater würden ihm — so sie denn da wären — sogar Western-Hasser, Rosamunde-Pilcher-Hardliner und nicht zuletzt von sich überzeugte Cineasten zujubeln, die den Gehalt von Filmen nur nach Method Acting und Montagetechnik beurteilen.
Denn Bela B. schenkt ihnen etwas, was jeder insgeheim liebt: einen kindlich-naiven Spaß an der Freude. Er gibt jedem die Erlaubnis, Filme einfach nur zu schauen und cool zu finden, weil es in ihnen knallt und Zoten gerissen werden. Und er gibt einem das Gefühl, dass es vollkommen okay ist, auf verrückte und von Berufsintellektuellen belächelte Dinge zu stehen. Natürlich: Dazu hat er sich auch jede Menge Helfer genommen. Die Bühne ist von links nach rechts und von vorne bis hinten bis auf den letzten Zentimeter vollgestopft. Neun Leute sitzen da mit ihrem Instrumentarium: Bela B., die famose Countryband Smokestack Lightnin’, Sängerin Peta Devlin, Stimmen- und Geräuschemacher Stefan Kaminksi, Synchronsprecher Oliver Rohrbeck und Moritz Führmann vom Düsseldorfer Schauspielhaus als lokaler Mitmischer im Spaghetti-Western-Kuddelmuddel.
Sie alle haben Cowboyhüte auf. Bela B. trägt zudem Stiefel, Sporen, Colt, Patronengurt und irgendwann sogar eine Gitarre im Pistolenlook. Und es dauert keine fünf Minuten, da fliegen zu Comic-Illustrationen auf der Leinwand im Hintergrund schon die Sprüche, die Regisseure von Welt wie Orson Welles, Martin Scorsese, Francis Ford Coppola oder Rainer Werner Fassbinder niemals hätten sprechen lassen: „Da! Jetzt hast Du ne Beule im Bart. Dafür haben die Plomben aber wieder Luft!“ Oder: „Wo gehobelt wird, fallen Zähne.“ Oder: „Ich klopf’ Dir ne Delle in die Gewürzgurke!“ Die Telecaster-Gitarre macht „Schräng“ und „Twang“. Der Kontrabass grollt und donnert. Kaminski lässt nicht nur Papier rascheln, Sand knarzen, Schüsse peitschen, Explosionen dröhnen und Gläser aneinander klirren.
Dass die Handlung des Westerns eindeutig zweitrangig ist — geschenkt. Es geht letztlich nicht darum, wer wie viele Typen umballert und wer welchen Drecksack umlegt. Sogar die premieretypischen Versprecher und Aussetzer der Protagonistenhühner auf der Bühnenstange sind völlig unwichtig und werden entsprechend weggelacht und weggeblödelt. Es geht darum, dass Bela B. und Co. mit diesem Stück an diesem Abend vor einem nicht nur am Ende der Vorstellung johlenden Publikum aus Ärzte-Fans, Typen im Cash-Pulli, Paaren in Abendgarderobe und Menschen in Multifunktionsjacken ein Loblied auf die Popkultur singen. Ein Loblied auf den Trash.