Analyse

Analyse

Foto: Judith Michaelis

christian.herrendorf@wz.de

Diese Woche hätte eigentlich anders ausgehen müssen. Ein Drittel eines politischen Bündnisses hat in einer wesentlichen Abstimmung anders votiert als die anderen beiden Teile. Es sind schon Zusammenschlüsse an weniger zerbrochen. In Düsseldorf verstehen die Beteiligten der Ampel-Kooperation nach dem Nein der Grünen zum Ed-Sheeran-Konzert nicht einmal die Frage „Hält das noch bis zur Kommunalwahl 2020?“. Fünf Erklärungsansätze zu diesem Phänomen:

Gemeinsames Leid schweißt zusammen. Die überraschende Stabilität der Ampel ist nicht zwangsläufig eine gute Nachricht für Oberbürgermeister Thomas Geisel. Denn der Zusammenhalt hilft ihm an entscheidenden Stellen nicht, wohl aber hilft er dem Zusammenhalt. Die Alleingänge des Verwaltungschefs, die Unberechenbarkeit seiner Vorschläge und der dazugehörigen Zeitpunkte, seine ausgeprägte Freude am Teilen seines Wissens — zu all diesen Punkten kann jedes Mitglied der Ampel eine beachtliche Zahl an Anekdoten beisteuern. Warum der Ärger bei manchen Beteiligten schon körperliche Formen anzunehmen scheint, ist angesichts der Vorfälle nicht nachzuvollziehen, aber es hilft offenkundig, wenn man schon mal einen hat, der im Zweifel etwas Schuld sein kann, ohne dass die anderen das noch groß hinterfragen.

Eine harmlose SPD ist eine hilfreiche SPD. Die Sozialdemokraten stecken in dem Dilemma, dass sie zwischen dem Oberbürgermeister und den Ampelpartnern vermitteln müssen, schließlich gehört der OB ihrer Partei an. Das gelingt aber auch deshalb so gut, weil die SPD aktuell keine führenden Vertreter hat, die unter Visionen oder Profilneurosen leiden. Fraktionschef Markus Raub oder Ratsherr Matthias Herz wirken zwar, als läge ihr Ruhepuls bei ungefähr 200, und agieren in den Gremien bisweilen entsprechend eindrucksvoll. Im Übrigen aber passt die ausgleichende Rolle gut zur SPD.

FDP ist klar, aber nicht unnötig scharf. CDU-Ratsleute, die bereits Erfahrungen in einer Koalition mit FDP-Chefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann gemacht hatten, sagten gerne sehr ironiebetont „Viel Spaß“, wenn sie die neuen Partner der Liberalen trafen. Da Strack-Zimmermann inzwischen durch ihr Bundestagsmandat erheblich gebunden ist, ist ein Risiko für die zwischenmenschlichen Beziehungen schon mal geschwunden. Und Fraktionschef Manfred Neuenhaus besitzt die seltene Gabe, sich mit Aussagen und Standpunkten klar zu profilieren, ohne dabei an Charme für die Partner zu verlieren.

Grüne erreichen genug, aber nicht zu viel. Die Grünen haben bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr ihr Trauma aufgefrischt, dass sie als kleiner Koalitionspartner mitabgestraft werden, weil sie ihre Punkte nicht deutlich genug gemacht haben. Bei Ed Sheeran und den 104 zu fällenden Bäumen haben die Grünen deshalb für jeden, wirklich jeden, vernehmbar Nein gesagt und trotz allen Drucks dazu gestanden. Das hilft in der Kernwählerschaft und reicht noch nicht, um wieder als Spaßverderber beschimpft zu werden. Genau diese Balance müssen Partner den Grünen ermöglichen.

Die meinen das ernst mit der Kooperation. Bei der Unterzeichnung des Bündnisses 2014 schien der Begriff Kooperation nur etwas für Liebhaber der Politikwissenschaften zu sein. Ist doch eh dasselbe wie eine Koalition. Der feine Unterschied wird aber tatsächlich gelebt. Alle Partner gestehen den anderen Räume zu und verstehen auch, warum der jeweils andere die gerade braucht. Zugleich gibt es genug gemeinsame Projekte und einen mindestens so ordentlichen Fortschritt, dass man sich den Rest im Zweifel auch schön reden kann.