Düsseldorf Anschlag am S-Bahnhof Wehrhahn: Gerechtigkeit nach 18 Jahren?

Hass auf Ausländer soll die Triebfeder für den Anschlag am S-Bahnhof Wehrhahn gewesen sein. Ralf S. wies am Donnerstag alle Vorwürfe zurück.

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Düsseldorf. Es sind viele Fragen, die Opfer und kritische Beobachter der rechtsextremen Szene beschäftigen. Warum kommt es erst fast 18 Jahre nach dem blutigen Anschlag auf dem Düsseldorfer S-Bahnhof „Am Wehrhahn“ zum Prozess? Warum konnte Ralf S., der sofort ins Visier der Fahnder geriet, nicht früher überführt werden? Gab es Pannen bei den Ermittlungen und was wusste der Verfassungsschutz? Fragen, die der Prozess, der am Donnerstag vor dem Düsseldorfer Landgericht begann, wohl nicht beantworten wird. Denn in dem Verfahren wegen zwölffachen versuchten Mordes geht es ausschließlich darum, ob der Mann auf der Anklagebank schuldig ist oder nicht.

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Aus fremdenfeindlichen Motiven soll Ralf S. eine Bombe gebastelt haben, die zehn Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzte. Der 51-Jährige antwortete am Donnerstag mit einem kurzen „Nein“, als er von dem Vorsitzenden Richter Rainer Drees gefragt wurde, ob er für den Anschlag verantwortlich sei. 37 Verhandlungstage sind zunächst für den reinen Indizien-Prozess angesetzt.

Am 27. Juli 2000 waren zwölf Sprachschüler aus der ehemaligen Sowjetunion auf dem Heimweg von ihrer Schule, die nur wenige hundert Meter von dem S-Bahnhof entfernt ist. Um genau 15.03 Uhr explodierte ein mit TNT gebastelter Sprengkörper, der in einer Plastiktüte an einem Geländer des Bahnhofseingangs hing. Zehn Menschen, darunter sechs Aussiedler mit jüdischem Glauben, wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Eine damals 24 Jahre alte Frau, die wie drei weitere Opfer aus Solingen stammte, verlor ihr ungeborenes Baby. Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück betonte am Donnerstag, dass es Tote gegeben hätte, wenn die Bombe nicht aus verunreinigtem TNT gebaut worden wäre.

Ralf S. geriet unmittelbar nach dem Anschlag ins Visier der Ermittler. Der 51-Jährige hatte engen Kontakt zu rechtsextremen Kreisen und betrieb einen Militaria-Laden, der sich direkt gegenüber der Sprachschule befand. Zwei Jahre lang wurde gegen ihn ermittelt, dann wurde das Verfahren eingestellt. Im Zuge der Ermittlungen des NSU-Verfahrens kam auch der Düsseldorfer Fall wieder auf den Prüfstand. Allerdings ergebnislos, obwohl es Verbindungen der Terrorzelle nach Düsseldorf gegeben hatte.

2014 soll Ralf S. dann einem Mitgefangenen, der wegen Betruges verurteilt ist, in Castrop-Rauxel gestanden haben, dass er in Düsseldorf „Kanaken weggesprengt“ habe. Daraufhin wurden erneut Ermittlungen eingeleitet, diesmal allerdings geheim. Bei Telefonüberwachungen soll sich der 51-Jährige mehrfach „verplappert“ haben. Außerdem meldeten sich zwei Zeugen, denen Ralf S. die Tat angeblich angekündigt hat. Und eine Ex-Freundin will den Sprengkörper sogar gesehen haben.

Über zwei Stunden sagte Ralf S. am Donnerstag aus. Er wies alle Vorwürfe zurück: „Irgendjemand hat einen Geist gesehen und will ihn jetzt nicht loslassen.“ Er räumte ein, dass er Zeitungsausschnitte von dem Anschlag ins Gefängnis nach Castrop-Rauxel mitgenommen hatte. Aber nur, weil man ihm dort helfen wollte, dass sein Name im Zusammenhang mit der Tat aus dem Internet verschwinden soll.

Bei einer gemeinsamen Veranstaltung der Jüdichen Gemeinde Düsseldorf und der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus am Vorabend des Prozesses ging es vor allem um die Opfer. „Wir haben sie damals extrem abgeschottet“, erklärte Michael Szentei-Heise, der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, „inzwischen haben wir den Kontakt leider verloren.“ Immerhin sechs Betroffene sind als Nebenkläger in dem Prozess vertreten. Die Frau, die ihr Baby verlor, ist nicht dabei. Sie will mit den schrecklichen Erinnerungen abschließen.