Düsseldorf Wehrhahn-Prozess steht auf der Kippe

Sogar die Antifa zweifelt inzwischen an einem Schuldspruch gegen den Angeklagten Ralf S. im Prozess um den Bombenanschlag am Düsseldorfer Wehrhahn vor 18 Jahren.

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Düsseldorf. Seit genau zwei Monaten versucht das Landgericht zu klären, ob Ralf S. für den Bombenanschlag auf den S-Bahnhof Am Wehrhahn vor 18 Jahren verantwortlich ist, bei dem zehn überwiegend jüdische Sprachschüler zum Teil lebensgefährlich verletzt worden waren. Eigentlich sollte schon am Freitag Bilanz gezogen werden. Das wurde von dem Vorsitzenden Richter Rainer Drees noch einmal auf den 4. April verschoben. So viel Zeit hat sich die Antifa nicht gelassen, die das Verfahren regelmäßig beobachtet. Und deren Sprecher Kai Rudolph stellt Erstaunliches fest: „Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es eng werden könnte für ein eindeutiges Urteil, das auf Indizien basieren müsste.“ Erstaunlich deswegen, weil für viele Prozessbeobachter aus dem linken Spektrum von vornherein feststand, dass mit Ralf S. der Richtige auf der Anklagebank sitzt. Doch im Verlauf des Verfahrens tauchten viele neue Fragen auf. Und manche der Zeugen blieben wichtige Antworten schuldig.

Rudolph hat auch schon den vermeintlich Schuldigen gefunden. Er wirft der Polizei schwere Fehler bei den Ermittlungen vor. Unmittelbar nach dem Anschlag habe es nur eine „oberflächliche Hausdurchsuchung“ bei dem Angeklagten gegeben, lautet einer der Vorwürfe. Tatsächlich geriet der 51-Jährige unmittelbar nach dem schrecklichen Anschlag ins Fadenkreuz der Ermittler geriet. Dass offenbar trotz aller Bemühungen der Fahnder damals nicht mehr zu finden war, passt offenbar nicht in die Antifa-Logik.

Fast immer erscheint Ralf S. in einem kurzärmligen rot-weiß-karierten Hemd zur Verhandlung. Oft blickt sich der Mann, der noch die Reste seiner Rockabilly-Frisur trägt, suchend im Gerichtssaal um und schaut, wer auf den Besucherstühlen sitzt. Manchmal hat man das Gefühl, dass er es auch genießt, im Mittelpunkt zu stehen. Was tatsächlich in dem Kopf des 51-Jährigen, der enge Kontakte zur rechtsradikalen Szene pflegte, vorgeht, bleibt ein Rätsel.

Dass er mit dem Anschlag geprahlt und ihn einer Ex-Lebensgefährtin auch angekündigt hat, berichten mehrere Zeugen. Dieses Verhalten passt aber auch zu dem enormen Geltungsbedürfnis des ehemaligen Wachmanns und Personenschützers, der immer wieder von seinen zahlreichen Frauen-Geschichten erzählt. Die Damen haben zumeist unerfreuliche Erfahrungen gemacht. So hat Ralf S. seiner Ex-Lebensgefährtin einen riesigen Schuldenberg hinterlassen. Die ist inzwischen davon überzeugt, dass der Angeklagte die Tat begangen hat, und will sogar die Bombe in einer dunklen Ecke der Wohnung gesehen haben. Aber reicht das, um Ralf S. schuldig zu sprechen?

Ähnlich widersprüchlich auch die Aussage eines Experten der Bundeswehr, von dem eigentlich erwartet wurde, dass er den Angeklagten belasten würde. Doch der Zeuge legte sich unter anderem darauf fest, dass die für die Bombe verwendete Granate offenbar aus dem ehemaligen Jugoslawien stammte. Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück ist überzeugt, dass der 51-Jährige sie aus ehemaligen Bundeswehr-Beständen hat. Auf der anderen Seite wäre es für den Besitzer eines Militaria-Ladens wohl auch kein großes Problem gewesen, an eine Granate aus östlicher Produktion zu kommen.

Ein Ende des Prozesses ist derzeit noch nicht abzusehen. Ob sich das nach der Bilanz am 4. April ändert, ist fraglich. Vor allem für die Opfer eine schwer erträgliche Situation.