„Aquaria“ — Opernsängerin Claudia Herr taucht unter
Die Unterwasseroper in der Münstertherme verbindet Kunst, Musik und Forschung auf skurrile Weise.
Düsseldorf. Badegäste ziehen ihre Bahnen in der Münstertherme, als sich Claudia Herr an den Beckenrand stellt und ihre klare Stimme erklingen lässt. Ein kräftiger Mezzosopran erfüllt das Jugendstil-Bad, dann hält Claudia Herr inne. Sie zieht ihre Stiefel aus, geht zur Treppe. Sie wird doch nicht? Doch: Die Sängerin schreitet samt Jeans und Pulli in das 30 Grad warme Wasser, bis zur Hüfte steht es ihr, als sie ihre Stimme erneut erhebt. Tiefe, langsame Passagen wechseln sich mit schnellen, hohen ab, immer wieder schlägt Herr auf die Wasseroberfläche. Ein skurriles Bild, das sich da bietet, fast surreal, und doch ist es nur ein kleiner Vorgeschmack.
Claudia Herr ist Opernsängerin und ehemalige Leistungsschwimmerin. „Ich war in einem wunderschönen Jugendstilbad in Berlin und fühlte mich an ein Opernhaus erinnert“, erzählt die 41-jährige Dresdnerin. „Ich hatte die verrückte Idee: Kann ich unter Wasser singen?“ Sie kann, und so verband sie ihre beiden Leidenschaften zu dem Projekt „Aquaria“, das 2008 seine Uraufführung im Berliner Liquidrom feierte.
Claudia Herr singt in dem Stück über und unter Wasser. Begleitet wird sie von einer weiteren Mezzosopranistin, einem Schauspieler, einem Chor sowie Tuba, Cello, Violoncello und Schlagwerk — teils unter, teils über Wasser. Außerdem werden Töne von der Palaoa-Horchstation aus dem antarktischen Ozean eingespielt: Robben- und Walgesänge, Eiskrachen sowie unerforschte Klänge. Heraus kommt ein ungewöhnliches, etwa zweistündiges Spektakel, das mehr von einer künstlerischen Installation hat als von klassischer Oper.
Die märchenhafte Handlung rankt sich um Robben in der Antarktis, die singend miteinander kommunizieren und versuchen, ihr Überleben zu sichern. Außerdem geht es um eine junge und eine alte Frau (gespielt von Claudia Herr und Elizabeth Neimann), die angesichts des Millionen Jahre alten Eises und Wassers erschreckt erkennen, wie begrenzt das menschliche Leben ist. Sie sehnen sich nach dem Elixier des Lebens — ihre Suche danach führt sie schließlich in die Welt unter Wasser.
Technisch möglich wird „Aquaria“ durch Hydrophone, die in das Becken hereinhängen. „Wasser überträgt Klänge siebenmal schneller als Luft“, sagt Claudia Herr. Sie und ihre Kollegen tragen Sauerstoffflaschen auf dem Rücken, manche zusätzlich Neoprenanzüge unter den bleiverstärkten Kostümen. „Damit das Untenbleiben leichter ist“, sagt Herr und lacht. „Schwierig wird dadurch allerdings mein Auftritt als Schmetterling.“