Düsseldorf Asphalt-Festival: Performance macht Verdrängung durch Bau zum Thema
Unter der Regie von Christof Seeger-Zurmühlen präsentierten sie am Montagabend die eindrucksvolle Uraufführung der Performance „Babylon Im- und Export“ auf den Straßen Düsseldorfs.
Düsseldorf. Die potentiellen Käufer haben etwas von einer Reisegruppe. Gerade noch aus einem Doppeldecker-Bus ausgestiegen, zwängen sie sich in den kleinen Laden an der Kölner Straße. Konditorei Radin heißt das Geschäft. Radin, wie der kleine Sohn des Verkäufers, der vor der Theke voller Gebäck steht. Mit ihrem knallroten Gewand wuselt Sabrina durch den Laden und befragt dabei den Besitzer nach dem Geschäft sowie den Produkten. Darf der Laden in Düsseldorf bleiben oder muss er dem Bauprojekt „Babylon“ weichen? Das müssen später die Interessenten entscheiden, nun aber dürfen sie etwas von den Süßigkeiten probieren.
Sabrina heißt eigentlich Anna Beetz und ist überzeugender Teil des Theaterkollektiv per.Vers. Unter der Regie von Christof Seeger-Zurmühlen präsentierten sie am Montagabend die eindrucksvolle Uraufführung der Performance „Babylon Im- und Export“ auf den Straßen Düsseldorfs. Damit sind sie Teil des Asphalt-Festivals, das zudem weitere Theaterstücke und Musik bietet.
Die potenziellen Käufer, denen beim knapp dreistündigen Rundgang per Bus und zu Fuß durch die Stadt verschiedene Läden schmackhaft gemacht werden, sind das Publikum. Doch hier verschwimmt Theater mit Realität. Die Konditorei gibt es tatsächlich, genau so wie den Afro Shop, das Modegeschäft oder die traditionelle Metzgerei in den Stadtteilen Oberbilk und Stadtmitte. Außerdem knüpfen auch die Investoren an die Realität an:
Die Diskussion um den begehrten engen Raum der Großstadt, das Versprechen eines „besseren“ Quartiers sind nicht frei erfunden. Hier, in der Verkaufstour von „Babylon“, geht es nicht nur darum, die Geschäfte in den Straßen um den Hauptbahnhof kennenzulernen. Es geht um Verdrängung. Denn Sabrina und ihre drei Kollegen haben einen Plan. Das Gebiet in Oberbilk und Stadtmitte soll umgebaut werden. Dazu umschwirren die verrückten Verkäufer das Publikum, befragen es und tun alles, damit es ihm gut geht. Etwa Jonathan Schimmer, der einen Verkäufer des Babylon-Teams spielt und mit seinen Kolleginnen Nora Pfahl und Julia Dillmann den Zuschauern intensiv nahe kommt.
Überzeugend sind sie Teil des wirtschaftsgetriebenen Investoren-Teams, das ja nur alles verbessern will. Denn Düsseldorf könne so viel mehr. Zumindest versprechen sie das den Käufern, den „high-rated individuals“. Schöne lichtdurchleuchtete Eigentumswohnungen, begrünte Dächer in futuristischen Hochhäusern und „lustvolles Einkaufen“. Auch Kitas und Wohnungen für Studierende verspricht „Babylon“.
Schöne neue Welt, für die sich jedoch die derzeitigen Geschäfte erst einmal bewerben müssen. Die potenziellen Käufer entscheiden, wer bleiben darf. „Tradition trifft Moderne“ im „Kreislauf of Love“, heißt es. Liebe auch für die, die gehen müssen? Erst mal ab in den Bus und zum nächsten Geschäft. Die Zuschauer besuchen etwa den koreanischen Supermarkt, in dem der Sohn des Besitzers über einen Audio-Guide die Produkte sowie Kultur und Musik erklärt. Dabei werden sie vom Babylon-Team koordiniert.
Während es weiter geht, hört die Gruppe über Kopfhörer Informationen über Prostitution in der Nähe des Hauptbahnhofes. Dann geht es zum traditionellen Tabak-Laden, in dem der Besitzer mit einer Zigarre wartet. Die Geschäftsinhaber geben alles, um zu gefallen. Verteilen Snacks, erklären, erzählen Privates — und sie tanzen sogar.
Das Babylon-Team zeigt die Diversität des Viertels, die sie für ihr neues Quartier nutzen wollen. Doch nur so lange es wirtschaftlich ist und ins Projekt passt. Der Rest wird, wie so oft in deutschen Großstädten, verdrängt. Fraglich, wer sich von den möglichen Käufern im Bus das „Babylon“ tatsächlich leisten könnte.