Düsseldorf Babysitter: Die Retter in der Betreuungslücke
Trotz flexibler Kita-Zeiten und OGS: Babysitter ist noch immer ein Trend-Job. Kurse, die dafür qualifizieren, sind stark nachgefragt.
Düsseldorf. Als Kristina Tewes direkt aus dem Büro in den Garten hinter ihrem Haus in Unterbilk kommt, springen ihre Söhne Julian (3) und Jonas (9) sowie Tochter Janna (5) gerade mit Jenny auf dem Trampolin kreuz und quer durcheinander. Die Kinder lachen, Jenny lacht — und auch die Mutter ist guter Dinge. Die Babysitterin hat ihr mal wieder den Tag gerettet: Sie arbeitet Vollzeit in der Unternehmenskommunikation eines großen Unternehmens, ihr Mann ist freiberuflicher Journalist und musste kurzfristig weg. Da ist Jenny eingesprungen und hat die beiden Kleinen von der Kita abgeholt. Ein Beispielfall, der zeigt: Trotz Ganztagsschule und Kita-Öffnung bis 17 Uhr ist der Job des Babysitters keineswegs auf dem absteigenden Ast.
Die 23 Jahre alte Jenny hat ein Soziales Jahr in der Holthausener Kita absolviert, die Kristina Tewes’ Kinder besuchen. Zufällig trafen sich die beiden Frauen dann im Reitstall wieder, und die Mutter fragte, ob Jenny nicht als Babysitterin einspringen wolle. Sie wollte: „Mir macht das total viel Spaß. Ich sehe das nicht als Arbeit an.“
Und für die eigentlich gut organisierte Familie schließt sie eklatante Lücken. „Die Kita macht um fünf Uhr zu“, erklärt Tewes. „Ich habe schon Gleitzeit — aber einmal in der Woche muss ich von 9 bis 17 Uhr anwesend sein. Das ist zu lange, um es mit der Betreuung zu vereinbaren.“ Für gewöhnlich ist das Abholen dann Papas Job. Aber wenn auch der kurzfristig ausfällt, bekommt Jenny einen Notruf.
Aus dem Zubrot ist eine dicke Freundschaft mit den beiden jüngeren Kindern geworden. Jenny holt sie in der Weihnachtszeit ab, um mit ihnen Plätzchen zu backen, nimmt sie regelmäßig mit zu ihrem Pferd Piccolo — gratis. Die kleine Janna ist schon eine erfahrene Reiterin, der dreijährige Julian traut sich auf den großen Wallach noch nicht so. „Vielleicht beim nächsten Mal?“, fragt Jenny. Der Junge nickt wild, hält dann inne: „Aber nicht Galopp!“ Jenny lacht und schüttelt den Kopf. Man ist zusammengewachsen — und sie will für die Familie auch weiter als „Feuerlöscher“ zur Verfügung stehen, wenn sie jetzt ihr Anerkennungsjahr als Erzieherin anfängt. „Dann bin ich eh in der Kita und kann die Kleinen einfach mal mit nach Hause nehmen.“
Zehn Euro die Stunde bekommt Jenny, wenn sie als Babysitterin einspringt. Damit ist sie am oberen Ende der Preisspanne. Sechs bis zwölf Euro verdienen die Betreuer pro Stunde üblicherweise. „Viele Eltern halten sich inzwischen auch an den Mindestlohn von 8,50 Euro“, sagt Melanie Stumpf. Sie gibt für verschiedene Anbieter in Düsseldorf, etwa für das ASG-Bildungsforum, Babysitterkurse.
Vor allem 14 bis 24 Jahre alte Mädchen besuchen diese Kurse. „Es gibt aber auch Menschen, die sagen: Ich werde jetzt Oma oder Opa und will mich darauf vorbereiten“, erklärt Stumpf. Und die Angebote sind gut nachgefragt; allein sie schult etwa 200 Düsseldorfer Babysitter pro Jahr. Der Bedarf für Betreuung außerhalb der Kitas und Schulen ist weiterhin hoch. „Es ist klassisch der Freitag- oder Samstagabend“, sagt Stumpf — wenn die Eltern mal etwas zusammen unternehmen wollen. Aber auch die Überbrückung von Betreuungslücken, wenn die Kita nachmittags schließt, die Eltern aber länger arbeiten — so wie bei Familie Tewes.
Inhalt der Kurse ist neben dem Verdienst viel Rechtliches, von Haftpflichtversicherung bis Jugendarbeitsschutzgesetz. Melanie Stumpf gibt aber auch Überblicke über Entwicklungsschritte wie Trotz- und Fremdelphase, gibt Tipps für die Suche nach einem Babysitterjob (eher Aushang in der Kita als im Supermarkt — schon aus Sicherheitsgründen) und lässt an Puppen und Milchfläschchen praktisch üben. Der Kurs, für den es auch ein Zertifikat gibt, wird mittlerweile oft von den Eltern verlangt. Stumpf: „Ich glaube, das Angebot einer Qualifikation hat sich herumgesprochen.“
Was viele wohl überhaupt nicht wissen: Die Familien müssen einen Babysitter anmelden, wenn er regelmäßig bei ihnen arbeitet. „Egal ob Schüler oder Rentner“, erklärt Wolfgang Buschfort von der Minijob-Zentrale. „Wichtig ist, wenn man mehrere Jobs hat, dass man 450 Euro im Monat nicht überschreitet.“ Die Familie müsste dann zwar 14 Prozent Sozialabgaben zahlen — allerdings kann sie auch die Bezahlung des Babysitters wieder in bestimmtem Umfang von der Steuer absetzen. Der Babysitter indes erhält minimale Rentenansprüche durch die Anmeldung. „Und er ist unfallversichert“, betont Buschfort einen großen Vorteil.
Allerdings geht er nicht davon aus, dass diese Regelung in den meisten Familien Anwendung findet. Etwa vier Millionen Arbeitskräfte seien in deutschen Haushalten beschäftigt, aber nur 300 000 Minijobs sind in diesem Bereich angemeldet. Er glaubt, dass die Dunkelziffer bei Babysittern noch höher ist als etwa bei Putzkräften: „Sie können davon ausgehen, dass 90 Prozent illegal arbeiten.“