Einkaufstrend Bilanz der Unverpackt-Läden: Zufrieden, aber es ist ein harter Kampf
Düsseldorf · Nicht nur die Kunden müssen viel lernen in den neuen Lebensmittelläden, sondern auch die Inhaber.
Die Aufmerksamkeit war groß, als im vergangenen Jahr drei Lebensmittelgeschäfte ohne Verpackungen eröffneten. Doch wie alltagstauglich ist der umweltschonende Einkauftrend, nach dem sich die ersten Euphorie gelegt hat? Ein Selbstläufer sind Unverpackt-Läden jedenfalls nicht, wie Erfahrungen in anderen Städten zeigten. Recht schnell mussten einzelne Geschäfte wieder schließen. Nachhaltig ja, aber nicht in wirtschaftlicher Hinsicht? Dem gegenüber steht bundesweit eine hohe Zahl an Neueröffnungen im vergangenen Jahr.
Auch in Düsseldorf zeichnet sich ein positives Bild ab, wie eine erste Bilanz der Macher zeigt. Nachdem der jüngste Unverpackt-Laden erst vor knapp zwei Monaten an der Rethelstraße eröffnete, haben wir mit den beiden Gründern verpackungsfreier Läden gesprochen, die schon mehr Erfahrung sammeln konnten. Tim Kriemer, Mitgründer von „Pure Note“ an der Brunnenstraße, ist seit Anfang September am Start, Christina Rau mit „Flinse & Co.“ an der Lindenstraße bereits seit März.
Sie sagt: „Die Umsätze waren am Anfang sehr wechselhaft. Aber es wurde zuletzt unterm Strich immer besser. Wir hatten Monate, an denen wir die Kosten komplett decken konnten. Mehr will ich gar nicht.“ Kriemer ist sogar von Beginn an zufrieden: „Die ersten Monate waren schon so gut, dass wir alles bezahlen konnten.“ Bei ihm kommt noch hinzu, dass er zwei Festangestellte in der Küche für die angeschlossene Gastronomie beschäftigt. Trotzdem: einfach ist der Start nicht. Beide berichten von einer zeitlich und nervlich hohen Belastung. Rau: „Ich habe unterschätzt, wie arbeitsintensiv es am Ende wirklich geworden ist.“
Viele Prozesse und das Angebot mussten immer wieder angepasst werden. Rau nennt ein kleines, aber plastisches Beispiel. Die Spiralnudeln rutschten nur schleppend aus dem Abfüllbehälter. Es musste ein neuer Behälter her. Damit klappte es genauso wenig. Nun kann mit Handschuhen frei zugegriffen werden. Mit diesen lassen sich nun übrigens auch die Spaghetti besser greifen als zuvor mit der Zange. „Wir mussten viele Dinge einspielen“, sagt Rau. Eine extra entwickelte Checkliste soll jetzt den Mitarbeitern helfen, nichts zu vergessen. Etwa wenn es um Bestellungen geht oder die Beschriftung der Produkte.
Auch bei den angebotenen Waren hat sie vieles umgestellt und aufgestockt: von anfangs 200 Produkten auf 350. „Wir haben Pflege- und Hygiene-Artikel aufgenommen.“ Zudem hat sie Wechsel vorgenommen. Weiße Riesenbohnen liefen etwa nicht so wie erhofft. Ersetzt werden sie von Sojabohnen. Auch bei Pure Note wird im Austausch mit den Kunden am Angebot gearbeitet. „100 Produkte stehen bislang auf unserer Wunschliste, 25 haben wir ins Sortiment aufgenommen.“ Auch er hat erste Lehren gezogen. Mohn und Pistazien interessierten viel zu wenige Kunden. Dafür gibt es jetzt Natron, Birkenzucker und Bademilch. Öle gibt es nicht mehr nur in Flaschen, sondern zum Abfüllen. Neu sind zudem Glashalme, also wiederverwendbare Strohhalme.
Nicht nur die Inhaber müssen lernen, auch die Kunden. Sie müssen auf Verpackungen verzichten, die oft Eindruck vom Produkt vermitteln und bei der Kaufentscheidung helfen. Hier sagt Kriemer allerdings: „Bei uns ist viel mehr Interaktion mit dem Produkt möglich, ich kann es riechen, ich höre, wie es aus dem Behälter herausfließt. Er sagt sogar das Wort „Erlebnisshopping“. Zudem falle die Kaufentscheidung leichter, da es nicht zu viele unterschiedliche Sorten gibt. Immerhin: Elf Nudelsorten sind es bei Pure Note bei insgesamt 400 Produkten.
Vor allem die Logistik eines Großeinkaufes ist nicht ohne, da alle Gefäße mitgebracht werden müssen. „Anfangs kamen viele Kunden mit Glasbehältern, aber die haben ein hohes Eigengewicht und sind zerbrechlich.“ Er rät deswegen wie Rau zu Baumwollbeuteln, die für den Großteil der Trockenware völlig ausreichend seien. Die wiederum würden meist in Rucksäcken oder Satteltaschen verstaut. Jeder Kunde entwickele laut Rau eine eigene Strategie. Ein Kunde stülpe etwa Socken über die Glasbehälter, damit sie nicht zerbrechen. Sie erkenne die Kunden teils schon am Behälter.
„Das Verhältnis zu den Kunden ist toll.“ Es sei, wie sie es sich erhofft habe. Alle Generationen kauften bei ihr ein. Zum Teil kämen sogar Käufer aus dem Umland. Sie empfehle Anfängern stets, klein anzufangen, erst einmal ein paar Produkte auszuprobieren. „Man darf sich am Anfang logistisch nicht überfordern.“ Nach und nach zahle sich das aus, auch für sie. Der Umsatz pro Kunde steige.
Dennoch reicht die Abnahme mancher Produkte nicht aus, um ihren Einkauf zu rechtfertigen. Das Soja-Granulat gebe es eben nur im 25-Kilosack. Da laufe die Haltbarkeit ab, bevor alles verkauft ist. Das selbe Problem gab es auch beim Mohn bei Pure Note. Deswegen wollen sich Düsseldorfs Unverpackt-Läden dringend treffen, um ihre Erfahrungen auszutauschen. „Vielleicht können wir beim Einkauf Dinge zusammen bestellen“, sagt Rau.