Thema des Tages: Gefährliche Raser Blitzmarathon: Ortstermin, wo ein junges Leben endete
In Hassels starb ein 21-Jähriger 2015 durch einen Raser. Zum Blitzmarathon berichtet vor Ort die Polizistin, die ihn bis zuletzt im Arm gehalten hatte.
Düsseldorf. Die weißen Linien auf dem Boden führen von der Fahrbahn über den Bürgersteig mitten ins Gebüsch — und dann auf das Haltestellenhäuschen zu, das inzwischen wieder aufgebaut ist. Vor zehn Monaten, in der Nacht des 20. Juni 2015, raste an dieser Stelle, an der Further Straße in Hassels, ein junger Autofahrer durch die Dunkelheit, schleuderte in die Busstation, riss einen 21-Jährigen mit und tötete ihn. Zum Blitzmarathon demonstierte die Polizei am Donnerstag beim Ortstermin an diesem Beispiel, wie viel Leid sinnlose Raserei heraufbeschwören kann. Dabei war auch Polizeibeamtin Mareike Vieten (29), die das Unfallopfer bis zuletzt im Arm gehalten hatte.
Die junge Polizisten erzählt langsam und ruhig von jener Nacht. „Es war sommerlich, die Stimmung im Streifenwagen gut.“ Um 1.45 Uhr kam die Meldung mit dem Unfall herein. „Man fährt los mit der Hoffnung, dass es gar nicht so schlimm sein wird.“ Doch als sie sich der Kreuzung Altenbrückstraße näherten, sah Vieten rasch: „Es war ein absolutes Chaos.“ Autoteile, Glassplitter vom Wartehäuschen überall. Und 30 Meter weiter hockten ein paar Menschen am Boden.
Als sie von oben zwischen die Köpfe schaute, sah sie den Verletzten. „Er war nicht ansprechbar, hat aber noch geatmet“, berichtet die 29-Jährige. „Ich habe mich auf den Boden gekniet und seinen Kopf gehalten.“ So saß sie mit dem stark blutenden jungen Mann, bis der Rettungswagen kam, sprach unentwegt zu ihm. Ihre Stimme stockt, als sie davon berichtet, sie hat Tränen in den Augen.
Als die Rettungskräfte die Behandlung des Studenten übernahmen, durchsuchte sie seinen Rucksack nach Papieren: „Das war der nächste Schock: So jung, 21 Jahre alt.“ Aber sie funktionierte weiter, sicherte den Unfallort, die Spuren. Sie erkannte, dass der Student an der Haltestelle gestanden hatte, durch die Wucht des Aufpralls 30 Meter weit geschleudert worden war. „Wenig später sprach mich dann einer der Sanitäter an und sagte, sie hätten ihn für tot erklärt.“
Wie geschockt sie war, so berichtet Mareike Vieten, merkte sie erst, als sie die Nummer ihres Chefs kaum eintippen konnte, weil ihre Finger so stark zitterten. Aber sie wusste: „Jemand, der 21 Jahre alt ist, hat Eltern. Und die müssen informiert werden.“
Sie macht eine lange Pause. „Ich muss immer, wenn ich hier vorbeifahre, an den jungen Mann denken, der gestorben ist, kurz nachdem ich ihn in den Armen gehalten habe.“ Während des Ortstermins kommt eine Nachbarin, die damals als eine der Ersten am Unfallort war, mit Blumen aus ihrem Garten vorbei und legt sie an der Haltestelle nieder. Auch sie vergisst diese Nacht nicht.
Das ist die Botschaft, die Gundolf de Riese-Meyer, Leiter des Verkehrskommissariats und des Unfallaufnahmeteams, anlässlich des gestrigen Blitzmarathons überbringen will: das potenzierte Leid eines schweren Unfalls. Und wie vermeidbar es ist.
Zur Familie des 21-Jährigen hat er bis heute Kontakt. Aber auch für den damals erst 18 Jahre alten Autofahrer, der deutlich zu schnell und zudem betrunken unterwegs war, wird der Unfall Folgen haben. Juristische — der Prozess vor dem Jugendrichter steht bevor. Aber auch viel weitreichendere. De Riese-Meyer: „Auch das ist ein junger Mensch. Und er muss jetzt damit leben. Er ist ja nicht losgefahren und wollte einen Menschen umbringen.“ Wäre er so schnell gefahren, wie er durfte — der Unfall wäre womöglich gar nicht passiert; in jedem Fall wäre der Wagen weit vor der Haltestelle zum Stehen gekommen. Und der junge Student wäre heute noch am Leben.