Currentzis in Düsseldorf: Fragen über Fragen

Düsseldorf. Angesichts der Jubelstürme schien bei dem Heinersdorff-Konzert des griechisch-russischen Dirigenten Teodor Currentzis mit seinem höchst persönlichen, jetzt im russischen Perm ansässigen Orchester „MusicAeterna“ beim Publikum keine Frage offen geblieben zu sein.

Foto: Veranstalter

Doch trotz der mitreißenden Überzeugungskraft, sollte es erlaubt sein, einige Fragen im Nachgang zu stellen.

Ist etwas, weil es Erfolg hat, weil es für nicht enden wollende Begeisterung sorgt, zwangsläufig gut? Immerhin wird Currentzis Chef bei dem SWR-Symphonieorchester, gastierte in Salzburg, ist im Wiener Konzerthaus zu bestaunen. Es gibt sogar eine Arte-Dokumentation: „Currentzis — der Klassikrebell“. Das heißt schon was, oder?

Zweifelsohne bringt er Zutaten mit, die das heutige Publikum schätzt. Er ist unangepasst, experimentierfreudig, sorgt für Unterhaltung und lässt sich in keine gängige Schublade pressen. Seine Musiker der „MusicAeterna“ spielen auf historischen Instrumenten, zugleich wäre es verfehlt, ihn undifferenziert zu den Jüngern der historischen Aufführungspraxis zu zählen. Denn kommt es einem „authentischen“ Klang näher, wenn man das Finale von Beethovens 7. Sinfonie ohne Rücksicht auf musikintrinsische Verluste, zu einer Orgie vollends ungebändigter Spielwut werden lässt? Ist es legitim, Vieles zugunsten des Effektes zu überzeichnen, zeitgleich — mit großem Pinsel Farben an die Wand schleudernd — dem „Drive“, die Feinheiten der Phrasierung und der Dynamik zu opfern? Darf es unter der Motorhaube rumoren, wie etwa im Scherzo, wo zwischenzeitlich manches drunter und drüber geht? Schmissig ist es ja. Es gibt immer wieder Momente, die einem ins Herz treffen. Momente, die anmutig sind, aber alsbald auf dem Altar eines von Subjektivität durchdrungenen musikalisch überbordenden Egos geopfert werden. Ist das Unerhörte besonders frisch?

Wird es der Ouvertüre von Mozarts Figaro gerecht, sie derart mit Tempo und Hyperaktivität zu überladen, dass ihr keine Luft zum Atmen bleibt? Ist es ein besonders gelungener Schachzug, sein Klavierkonzert Nr. 17 KV 453 von Alexander Melnikov — der pianistisch übrigens keine besonders überragende Figur machte, hingegen ganz mozartisch das Orchester im Tutti neckisch umspielte — auf einem Hammerklavier spielen zu lassen, auch wenn man das Orchester alles überdecken lässt?

Und da wäre noch so viel: Stehen oder sitzen? Braucht man für das Klavierkonzert überhaupt einen Dirigenten, wenn man scheinbar so historisch profund sein möchte? Temposchwankungen? Fragen über Fragen. Lassen Sie uns einfach mal darüber nachdenken. Begeistert darf man ja trotzdem sein, denn das Ganze macht schon was her.